Mehr Ressourcen und bessere Vernetzung: das braucht die Spitex
In einer gross angelegten Studie fühlte die Pflegewissenschaft der Universität Basel der Schweizer Spitex den Puls. Ihr Fazit: Die Organisationen leisten gute Arbeit – aber es braucht politische Entscheidungen, damit sie auch in Zukunft ihre Dienste erbringen können.
27. April 2023 | Catherine Weyer
Die Spitex ist neben den Spitälern, Hausärztinnen und Pflegeheimen ein wichtiger Grundpfeiler in der Gesundheitsversorgung, gerade von älteren Personen. Sie entlastet nicht nur Spitäler und Pflegeheime, sondern ermöglicht den Pflegebedürftigen, möglichst lange autonom in den eigenen vier Wänden zu verbleiben.
Mit SPOTnat: Spitex Koordination und Qualität – eine nationale Studie hat der Fachbereich Pflegewissenschaft der Universität Basel im Jahr 2021 untersucht, wie es um die Spitex steht. Verschiedene Themen wie die Zusammenarbeit und Kommunikation im Team, die Koordination, die körperliche und psychische Gesundheit sowie die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden, aber auch das Erleben der Spitex aus Klienten- und Angehörigensicht wurde dabei ausgeleuchtet.
Hohe Qualität, aber Verbesserung bei Koordination nötig
«Die Spitexmitarbeitenden sind mehrheitlich zufrieden mit der Pflegequalität, die sie erbringen», sagt Studienleiterin Prof. Dr. Franziska Zúñiga. Dies sei keine Selbstverständlichkeit, gerade wenn man berücksichtige, dass die Studie während der Coronapandemie lief, in der das Pflegepersonal enorm an seine Grenzen gekommen sei. «Wir müssen allerdings auch sagen, dass sich wohl nur jene Organisationen an der Studie beteiligt haben, die nicht völlig überlastet waren», so Zúñiga.
Als erste umfassende nationale Erhebung in der Schweizer Spitex fördert die Studie weitere wichtige Resultate zutage. Grossen Handlungsbedarf sieht Zúñiga bei dem Koordinationsmöglichkeiten: «Es fehlen die Strukturen, um eine gute Dienstleistung zu organisieren und zu vernetzen, wenn mehrere Gesundheitsdienstleister involviert sind», so die Pflegewissenschaftlerin.
Weil es beispielsweise kein elektronisches Patientendossier gibt, das für alle Leistungserbringenden obligatorisch ist, fehlen vielerorts Informationen. «Die Spitexmitarbeiterin kann ihren Klienten nicht richtig betreuen, wenn sie nicht weiss, welche Medikamente ihm tags zuvor seine Hausärztin verschrieben hat oder weshalb er im Spital operiert wurde», so Zúñiga. Ausserdem fehle es den Spitexmitarbeitenden an Zeit und Ressourcen, um alle Veränderungen bei den involvierten Stellen zu erfragen.
Verbindung zur Pflegeinitiative
Gemäss Zúñiga kommt ebenfalls der Austausch unter den Kolleginnen innerhalb und ausserhalb der Spitex zu kurz. Der interprofessionelle Austausch basiert oft auf freiwilliger Basis, ohne finanzielle Abdeckung. Dieser sei aber wichtig für eine gut abgestimmte und patientenzentrierte Klientenversorgung. Auch zur gegenseitigen Unterstützung in fachlichen Fragen oder im Umgang mit herausfordernden Situationen sei der Austausch wichtig.
Diese Punkte seien wichtig, um die Zukunft der Spitex zu gewährleisten. «Es gibt eine Verbindung zur Pflegeinitiative: Eine unterstützende Arbeitsumgebung ist zentral, um die Leute im Beruf zu halten. Hier müssen wir ansetzen, damit auch in Zukunft genügend Spitexpersonal vorhanden ist», sagt Zúñiga. Denn im Jahr 2020 haben 12 Prozent der Angestellten der teilnehmenden Spitex-Organisationen ihre Stelle gekündigt.
Mit den Ergebnissen will der Fachbereich Pflegewissenschaft eine Datengrundlage für dringend nötige politische Diskussionen liefern: auf eidgenössischer Ebene, um die Umstellung auf digitale Kommunikationslösungen voranzutreiben, und auch auf Kommunalebene, wo über den Bezahlschlüssel für die Spitex entschieden wird. Für Zúñiga ist klar: «Die Spitex ist systemrelevant. Wir müssen dafür sorgen, dass die Organisationen auch in Zukunft ihre wichtige Arbeit leisten können.»