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Vom Jiddischen zum Englischen: Wie der Bagel nach Amerika kam

Mehrere Bagels mit Sesam liegen auf einem Blatt Backpapier.
Wussten Sie, dass der Bagel ursprünglich mal Bejgl hiess? (Foto: Adobe Stock)

Im Laufe der Zeit hat sich die englische Sprache so einige jiddische Wörter angeeignet, wie etwa Bagel. Manche sind gar nicht mehr als solche zu erkennen. Die Sprachwissenschaftlerin Julia Landmann von der Universität Basel hat diese Begriffe gesammelt und sozialgeschichtlich eingeordnet.

31. Oktober 2024 | Olivia Fischer

Mehrere Bagels mit Sesam liegen auf einem Blatt Backpapier.
Wussten Sie, dass der Bagel ursprünglich mal Bejgl hiess? (Foto: Adobe Stock)

Während des Zweiten Weltkriegs flohen viele europäische Jüdinnen und Juden vor Antisemitismus und Verfolgung in die USA. Die Flüchtenden brachten einiges mit in ihre neue Heimat: ihre Kultur, ihre Religion, ihr Essen – und ihre Sprache, das Jiddische.

Dr. Julia Landmann vom Departement für Sprach- und Literaturwissenschaften an der Universität Basel hat nun untersucht, welche jiddischen Wörter es geschafft haben, Teil der englischen Sprache zu werden. Ihre Erkenntnisse hat die Anglistin in Form eines Aufsatzes im Sammelband «Keys to the History of English» publiziert.

Die Forscherin hat dazu das umfangreiche Oxford English Dictionary nach jiddischen Begriffen durchforstet und konnte insgesamt 248 Wörter und Ausdrücke jiddischen Ursprungs ausfindig machen. Von A wie Arba Kanfot (ein viereckiges Untergewand, welches religiöse Juden tragen) bis Z wie Zaftig (Beschreibung für eine Frau mit einer vollen, runden Figur); es gibt jiddisch-englische Begriffe für jeden Lebensbereich.

Essen, Religion und der Mensch spielen eine zentrale Rolle

Viele der jiddischen Ausdrücke, die sich im Englischen durchsetzen konnten, beschreiben bestimmte Speisen, die Religion oder sind Bezeichnungen für den Menschen und dessen Alltag. Julia Landmann erklärt: «Begriffe aus diesen Kategorien wurden besonders oft übernommen, da es für diese Dinge bisher in der englischen Sprache schlichtweg keine Bezeichnungen gab.»

In der Kategorie Essen findet sich zum Beispiel Gefilte Fish, ein beliebtes kaltes Fischgericht, welches besonders von askenasischen Jüdinnen und Juden gerne zu Feiertagen verspeist wird. Innerhalb des Themas Religion gibt es das Verb daven, ein jiddischer Begriff für das Rezitieren jüdischer Gebete. Dieses Wort hat sich im Englischen so entwickelt, dass es auch im nicht-jüdischen Kontext «beten» bedeutet. In der Kategorie Mensch und Alltag tauchen neben bereits weit verbreiteten Begriffen wie Shiksa (eine nicht-jüdische Frau) auch viele humorvolle Ausdrücke für einen Narren oder Dummkopf auf. Zum Beispiel Klutz, Putz oder Schlump.

Viele dieser Begriffe werden also Teil der englischen Sprache, weil sie neue Dinge beschreiben. Doch es gibt auch andere Gründe. «Manche Menschen brauchen gerne jiddische Begriffe im Alltag, um ihre Zugehörigkeit zur jüdischen Kultur zu signalisieren. Sie brauchen zum Beispiel das Wort Shul für Kirche oder Synagoge, obwohl es dafür das englische Wort Church oder Synagogue gäbe», erklärt Julia Landmann.

Vom Bejgl zum Bagel

Es gibt auch englische Begriffe, deren jiddischer Ursprung mit der Zeit vollkommen vergessen ging. Zum Beispiel der Bagel. Anfang des 20. Jahrhunderts brachten jüdisch-polnische Einwanderer das Gebäck namens Bejgl erstmals in die USA, wo es zuerst in New York immer populärer wurde, und sich bis Ende des Jahrhunderts zu einem kommerziellen Bestseller und in eine beliebte, «typisch amerikanische» Speise entwickelte.

Der in den 1970er- und 1980er-Jahren aktive amerikanische Tennisspieler Harold Solomon fügte der Geschichte des Bagels ein weiteres Kapitel hinzu: Er prägte das Wort neu, indem er einen 6:0-Sieg in einem Tennis-Satz als Bagel bezeichnete, da die Null an die Form des Gebäcks erinnert. Heute ist «Bagel» ein geläufiger Begriff im Tennissport.

Geschichten wie diese faszinieren die Sprachforscherin Julia Landmann. Sie sagt: «Das Interessante am Zusammenspiel zwischen Jiddisch und Englisch ist die Vielschichtigkeit. Das Englische kennt zum Beispiel viel mehr Lehnwörter aus dem Französischen. Die Anzahl jiddischer Begriffe ist deutlich geringer, aber die Geschichten dahinter sind umso spannender.»


Originalpublikation

Julia Landmann
Investigating the dynamics of the lexicon. A socio-historical perspective of the borrowing of Yiddish words into English
Keys to the History of English (2024), doi: 10.1075/cilt.363

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