Wie neue Wirkstoffe schädliche Immunreaktionen bremsen
Das Komplementsystem ist Teil des angeborenen Immunsystems. In einigen Fällen schadet es aber dem Körper, weil eine ungewollte Komplementaktivierung zu vielen Autoimmun- und chronisch entzündlichen Erkrankungen beiträgt. Forschende haben nun molekulare Details einer kürzlich zugelassenen Wirkstoffklasse beschrieben, die das Komplementsystem hemmen kann. Dank der Ergebnisse lassen sich solche Hemmstoffe weiter optimieren.
16. November 2022 | Angelika Jacobs
Eigentlich verteidigt das Komplementsystem den Körper gegen mikrobielle Eindringlinge. Jedoch kann es aus verschiedenen Gründen auch körpereigene Zellen angreifen und somit zu klinischen Komplikationen beitragen. Diese reichen von altersbedingten und chronisch entzündlichen Erkrankungen wie der Makuladegeneration bis hin zur Abstossung von Organtransplantaten. In diesen Fällen wäre es medizinisch sinnvoll, das Komplementsystem mit Medikamenten kontrolliert herunterzufahren.
Trotz der breiten Palette an medizinischen Anwendungsmöglichkeiten gab es lange nur eine einzige Wirkstoffklasse an sogenannten Komplementinhibitoren, die überdies auch nur für einige wenige und sehr seltene Erkrankungen zugelassen sind. Erst 2021 kam mit der Compstatin-Klasse eine neue Therapieoption auf den Markt, die einen zentralen Faktor des Komplementsystems lahmlegt. Die Entdeckung und Entwicklung dieser Wirkstoffklasse geht auf Forschung der Gruppe um Professor John Lambris an der University of Pennsylvania, USA, zurück.
Eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Ricklin an der Universität Basel hat nun in Zusammenarbeit mit Lambris und einem internationalen Forschungsteam die Wirkweise dieser Compstatine detailliert untersucht. Im Fachblatt Nature Communications beschreiben die Forschenden, wie verschiedene Varianten dieser Wirkstofffamilie mit dem zentralen Faktor des Komplementsystems interagieren und wie genau sie auf molekularer Ebene wirken.
Wirkstoffe optimieren und Forschung erleichtern
Zum einen bieten die Ergebnisse die Grundlage, Wirkstoffe aus der Compstatin-Familie weiter zu optimieren. «Und zum anderen helfen uns die Erkenntnisse zu verstehen, warum die Compstatine hochspezifisch auf das menschliche Komplementsystem wirken», erklärt Ricklin.
Was in der Therapie ein Vorteil ist, kann sich für die Grundlagenforschung als Hemmschuh erweisen, weil es die Arbeit mit Modellorganismen erschwert. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt am Departement Pharmazeutische Wissenschaften hat daher zum Ziel, der klinischen Forschung neue Varianten des Hemmstoffs zugänglich zu machen, welche zum besseren Verständnis verschiedener Erkrankungen und Therapiestrategien beitragen können.
Originalpublikation
Christina Lamers et al.
Insight into mode-of-action and structural determinants of the compstatin family of clinical complement inhibitors
Nature Communications (2022), doi: 10.1038/s41467-022-33003-7