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Forschen im Dienste der Nachhaltigkeit (01/2015)

Der Geist ist willig, doch die Konsumlust ist stärker

Oliver Klaffke

«Bei der Förderung von Nachhaltigkeit geht es nicht darum, Verzicht zu predigen.»

Das sagt Antonietta Di Giulio vom Programm Mensch- Gesellschaft-Umwelt (MGU) der Universität Basel. «Die zentrale Frage ist, welche Bedürfnisse befriedigt werden müssen, damit ein Mensch ein gutes Leben führen kann.» Allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, das ist das Ziel der Nachhaltigkeitsbewegung. Weder Geld noch ein bestimmter Lebensstandard reichten dazu aus, davon ist Di Giulio überzeugt. «Wenn wir nach Kriterien für ein erfülltes Dasein suchen», sagt die Basler Forscherin, «stehen andere Werte im Vordergrund: die Teilhabe am gesellschaftlichen Austausch, eine befriedigende und existenzsichernde Beschäftigung und ein selbstbestimmtes Leben.»

Bei MGU arbeitet Di Giulio mit ihrer Gruppe an drei Themen, die für die Nachhaltigkeit im Alltag bedeutsam sind: nachhaltiger Konsum, Inter- und Transdisziplinarität, Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Im Mittelpunkt der Arbeiten steht die Suche nach Wegen, mit denen sich nachhaltiges Handeln fördern lässt.

Partizipative Verfahren

Um sie zu finden, hat die Gruppe den berühmten «Elfenbeinturm der Wissenschaft» längst verlassen. Statt Antworten alleine durch deduktives Nachdenken oder empirisches Befragen zu finden, wird auf den Dialog mit Menschen gebaut. «Wir verwenden oft partizipative Verfahren», sagt Di Giulio: «An unseren Projekten beteiligen sich Mitglieder der Zivilgesellschaft.» Der sogenannte transdisziplinäre Ansatz geht noch weiter als die interdisziplinäre Arbeitsweise. Um den Blick auf die Nachhaltigkeit zu erweitern, werden nicht nur Beiträge aus verschiedenen Disziplinen, sondern möglichst vielfältige Perspektiven, auch gesellschaftliche einbezogen. Dahinter steckt die Überzeugung, dass die Wissenschaft nicht alleine arbeiten kann. «Wo zum Beispiel die Grenzen der persönlichen Freiheit im Konsum liegen sollen, um andere und die Umwelt nicht zu beeinträchtigen, diese Frage kann die Wissenschaft nicht einfach beantworten», sagt Di Giulio. Um ein Ergebnis zu erzielen, das allgemein akzeptiert wird, werden Diskussionen lanciert. Entsprechend ausgerichtet ist ein Projekt des Schweizerischen Nationalfonds im Nationalen Forschungsprogramm (NFP) 71, in dessen Rahmen Di Giulio gemeinsam mit der Biologin Patricia Holm und anderen Forschenden energiepolitische Massnahmen untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fragen, wie die persönlichen Auswirkungen solcher Massnahmen wahrgenommen werden und welchen Einfluss dies auf die Akzeptanz hat.

Einfluss des Einzelnen und der Hersteller

«Wir wollen Impulse liefern, damit die politischen Ziele gesellschaftlich getragen und umgesetzt werden können», sagt Di Giulio. Das individuelle Verhalten entscheidet jedoch nicht alleine, ob Nachhaltigkeit erreicht wird. Die Basler Forschenden haben vielmehr das gesamte System im Blick. Nachhaltigkeit lässt sich zum Beispiel durch das Festlegen von Konsumgrenzen fördern; dabei geht es aber weniger darum, das Kaufverhalten jedes einzelnen Menschen zu verändern. Oft ist es ein viel wirkungsvollerer Hebel, beim Hersteller anzusetzen.

So ist etwa in den letzten Jahren das Thema der «geplanten Obsoleszenz» zunehmend diskutiert worden, das heisst die nachweislich von Produzenten in ihre Geräte eingebaute verkürzte Lebensdauer. Sie sorgt unter anderem dafür, dass Drucker ihren Lebensgeist aushauchen, wenn sie eine bestimmte Zahl von Ausdrucken gemacht haben. «Mit einem Verbot des eingebauten Verschleisses oder mit verlängerten Garantiefristen kann man die Industrie dazu zwingen, Produkte anzubieten, die weniger oft ersetzt werden müssen», sagt Di Giulio. Ohne solche Massnahmen lässt sich Nachhaltigkeit im Konsum auf breiter Front wahrscheinlich kaum realisieren.

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