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Rechner der Zukunft (02/2017)

Silizium für den Superrechner

Text: Leonid Leiva

Silizium-Chips bilden die Grundlage heutiger Computer. Basler Forscher sind überzeugt, dass dieses bewährte Material auch eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung leistungsstarker Quantencomputer spielen wird.

Verschränkung von Qubits: Mittels eines «schwebenden Gatters» (Doppelpaddel) lassen sich die darunterliegenden Elektronenspins (rote Punkte) gezielt miteinander verbinden – und auch wieder voneinander trennen.
Verschränkung von Qubits: Mittels eines «schwebenden Gatters» (Doppelpaddel) lassen sich die darunterliegenden Elektronenspins (rote Punkte) gezielt miteinander verbinden – und auch wieder voneinander trennen.

Quantencomputer sollen eines Tages Rechenaufgaben lösen, die für unsere heutigen Rechner schlicht unbezwingbar sind. Doch noch ist nicht klar, wie ein solcher Superrechner aussehen wird. Offen ist zum Beispiel, aus welchem Material die informationstragenden Quantenbits (kurz: Qubits) bestehen werden. Qubits aus supraleitenden Ringen oder aus mit Laserlicht in der Schwebe gehaltenen geladenen Atomen (Ionen) haben bisher einen deutlichen Entwicklungsvorsprung. Sie weisen aber ein grundlegendes Manko auf: Möchte man aus ihnen praxistaugliche Rechner mit Millionen von Bits bauen, würde die Maschine viel zu gross werden. «Die begrenzte Skalierbarkeit ist ein Problem, das diese Ansätze zum Scheitern verurteilen könnte», sagt der Physiker Prof. Richard Warburton.

Warburton und sein Team an der Universität Basel wollen deshalb einen anderen, in klassischen Computern bereits bewährten Pfad beschreiten. Sie setzen auf Silizium als Material für die Realisierung von Qubits. Was sie dazu ermutigt: Sowohl jüngste wissenschaftliche Fortschritte als auch das zunehmende Interesse wichtiger Firmen lässt den Halbleiter als realistische Option auch für Quantenrechner erscheinen. «Der Zeitpunkt scheint genau richtig zu sein», sagt Warburton. Er verweist darauf, dass der global führende Computerchip-Hersteller Intel seit 2015 gemeinsam mit niederländischen Forschern an der Entwicklung von Silizium-Qubits arbeitet und dabei rund 50 Millionen Franken investiert.

Für Silizium bestehen ausgereifte Fertigungsverfahren; mit keinem anderen Werkstoff hat die Computerindustrie so viel Erfahrung. Silizium-Chips haben sich über Jahrzehnte rasant entwickelt – ganz entsprechend der einstigen Vorhersage von Intel-Gründer Gordon Moore, wonach sich die Anzahl Transistoren pro Flächeneinheit auf dem Chip alle 18 Monate verdoppeln wird. Die heute erreichte Informationsdichte ist nur möglich, wenn der Abstand zwischen den einzelnen Bits einige 10 bis 100 Nanometer (milliardstel Meter) beträgt. Das erfordert hochpräzise Fabrikationsmethoden. Deshalb wollen Warburton und seine Mitstreiter zum Bau der Silizium-Qubits mit der Firma IBM einen Partner mit umfassender Expertise in Sachen Nanofabrikation mit ins Boot holen.

Silizium hinkt noch hinterher

Experimente mit Silizium als Material für Spin-Qubits hatten einen relativ späten Auftritt auf der Bühne der Quantencomputer-Forschung. Der Elektronenspin in einem Kristall aus Siliziumatomen ist ein sehr fragiler Informationsträger. Den Spin, das magnetische Moment des Elektrons, kann man sich vereinfacht als eine Kompassnadel vorstellen, die das Elektron mit sich trägt. Das Problem bei Silizium ist, dass einige Atomkerne – nämlich die des Isotops Silizium-29 – einen eigenen Spin aufweisen. Diese Kernspins wirken auf die Elektronenspins. Die Störung kann umgangen werden, indem das Silizium-29 entfernt wird.

Warburtons Qubits werden deshalb aus hochreinem Silizium bestehen. Er setzt dabei auf sogenannte Quantenpunkte, nanometerkleine Strukturen, in denen die Bewegungen eines Elektrons stark eingeschränkt sind. Aufgrund der räumlichen Enge verhält sich das Elektron im Quantenpunkt ungefähr so, als ob es an ein Atom gebunden wäre. Quantenpunkte werden auch «künstliche Atome» genannt, weil in ihnen die Elektronen nur bestimmte Zustände einnehmen. Das erleichtert die Kontrolle über die in den Elektronen codierte Information.

Damit ein Quantencomputer funktioniert, braucht es zudem die Verschränkung mehrerer Qubits. Dieses quantenmechanische Phänomen bedeutet, dass die Veränderung oder Messung des Zustands eines Qubits eine sofortige Veränderung der damit verschränkten Qubits bewirkt. Verschränkung heisst also, dass zwei oder mehrere Qubits so eng miteinander gekoppelt sind, dass man ein Qubit nicht stören kann, ohne seine Verschränkungspartner ebenfalls zu verändern. Diese Kopplung zu erzeugen und aufrecht zu erhalten, ist jedoch alles andere als einfach.

Verbindung über «Doppelpaddel»

Elektronenspins können direkt über ihre Magnetfelder miteinander verschränkt werden. Das geht aber nur, wenn sie sehr nahe beieinanderliegen. Denn die Kräfte der Elektronenspins werden bereits bei kurzen Distanzen sehr schwach. Die eng nebeneinanderliegenden Qubits würden aber ein Problem schaffen: Es bliebe kein Platz auf den Chips für nötige Leitungen und Schalter. Die Lösung bieten weiter auseinanderliegende Qubits. Um diese miteinander zu koppeln, wäre aber die direkte Wechselwirkung unter den Elektronenspins zu schwach. Als Alternative, um die Qubits miteinander zu verschränken, können elektrostatische Kräfte genutzt werden. Das ist der Ansatz, den die Basler Forscher um Richard Warburton verwenden wollen. Die Idee, 2012 von einem Team um den ebenfalls in Basel tätigen Physiker Daniel Loss vorgeschlagen, macht sich ein sogenanntes Floating Gate zunutze. Das ist nichts anderes als ein speziell geformter metallischer Draht, der wie ein Doppelpaddel aussieht. Über das Floating Gate – so der Grundgedanke – lassen sich die Spins der beiden Elektronen verschränken und Silizium-Qubits realisieren.

Schritt zur Miniaturisierung

Mit der elektrischen Steuerung und Verschränkung der Qubits ist Warburton überzeugt, das bisher grösste Hemmnis in der Entwicklung des Quantencomputers aus dem Weg räumen zu können – nämlich das Problem der Aufskalierung. Funktionierende Quantencomputer gibt es bereits heute, aber diese ersten Exemplare weisen nur ein Dutzend miteinander verschränkte Qubits auf. Um Quantenrechner zu realisieren, die wirklich einen wesentlichen Fortschritt bedeuten, muss die Anzahl Qubits um Grössenordnungen wachsen. Mit den Floating Gates rückt diese Möglichkeit näher. Das von Richard Warburton geplante Forschungsvorhaben an der Universität Basel soll unter anderem den Beweis erbringen, dass diese Art elektrostatischer Kopplung von Spin-Qubits technisch umsetzbar ist. «Wenn uns die genau kontrollierte Verschränkung zweier Qubits in Silizium gelingt, wäre das ein grosser Schritt in Richtung eines stark miniaturisierten, leistungsstarken Quantencomputers mit Millionen verschränkter Qubits», sagt Warburton.


Weitere Artikel in der aktuellen Ausgabe von UNI NOVA.

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