Ist die künstliche Intelligenz eine Klimasünderin, Herr Krysiak?
Text: Frank Krysiak
Braucht es eine gesetzliche Regulierung für den energieintensiven Einsatz von KI? Debatte zwischen einem Umweltökonomen und einer Informatikerin.
Die Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat sich stark beschleunigt. Aus einer Technologie, die früher überwiegend in Spezialbereichen eingesetzt wurde, sind Anwendungen entstanden, die das Potenzial haben, unser Alltagsleben stark zu verändern. Beispiele sind Sprachsteuerungen oder autonome Fahrzeuge. Mit diesem Fortschritt geht ein steigender Ressourcenverbrauch einher. Das Training von KI-Anwendungen erfordert einen hohen Energieeinsatz. Prognosen sehen KI daher mittelfristig als einen wesentlichen Treiber der weltweiten Elektrizitätsnutzung.
Dies steht (scheinbar) im Widerspruch zu der in vielen Industrieländern gewünschten Senkung der Energienachfrage. Einige Studien empfehlen daher, frühzeitig regulatorisch einzugreifen, zum Beispiel Effizienzstandards oder eine Versorgung von Rechenzentren mit erneuerbaren Energien vorzuschreiben.
Zunächst sollte man sich jedoch fragen, ob die Energienutzung für KI-Anwendungen wirklich ein Problem darstellt. Interessanterweise gibt es hierfür noch keine robusten Belege. Die Anwendungen von KI sind dafür zu vielfältig und lösen oft komplexe Verhaltensänderungen aus, die eine Abschätzung der Gesamtwirkung schwierig machen.
Als Beispiel seien autonome Fahrzeuge erwähnt. Auf der einen Seite erfordert diese Technologie einen intensiven Einsatz verschiedener KI-Anwendungen, mit hohem und wiederkehrendem Trainingsaufwand. Zum anderen haben autonome Fahrzeuge das Potenzial, den Gesamtenergieverbrauch im Mobilitätsbereich erheblich zu senken: Fallen die Kosten eines Chauffeurs weg, könnten öffentlicher Nahverkehr oder Taxifahrten zu deutlich geringeren Preisen angeboten werden. Es wird daher weniger attraktiv, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Dies kann zu einer deutlichen Senkung des Energie- und Ressourcenverbrauchs in der Fahrzeugproduktion führen, da weniger (aber besser ausgelastete) Fahrzeuge zum Einsatz kämen. Im Gegenzug hierzu könnte die Nachfrage nach Mobilitätsdienstleistungen steigen, sodass der Gesamteffekt auf die Energienachfrage nicht leicht vorherzusagen ist.
Andere KI-Anwendungen, wie zum Beispiel für personalisierte Werbung im Marketing, haben kein oder ein weitaus geringeres Potenzial für Energieeinsparungen und dürften daher zu einem Wachstum der Energienutzung beitragen. Neben der Energiefrage ist jedoch auch der gesellschaftliche Nutzen solcher Anwendungen zu berücksichtigen. Ohne Frage wäre es aber sinnvoll, die Rahmenbedingungen für KI-Anwendungen so zu gestalten, dass zum einen die gesellschaftlich nützlichsten Anwendungen priorisiert und zum anderen die negativen Auswirkungen, wie gestiegene Energienutzung, so weit wie möglich eingedämmt werden.
Für den ersten Punkt wäre es hilfreich, wenn Strompreise die tatsächlichen Kosten der Produktion einer MWh Strom, inklusive verursachter Umweltschäden, widerspiegeln würden. Das energieintensive Training von KI-Anwendungen würde dann nur für solche Anwendungen erfolgen, die einen hohen Nutzen versprechen. Ein realistischer Strompreis liegt jedoch in fast allen Ländern in weiter Ferne.
Für den zweiten Punkt liesse sich ausnutzen, dass das Training von KI-Anwendungen zeitlich und räumlich vergleichsweise flexibel ist. Durch den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energien mit fluktuierender Produktion ergeben sich Zeiten, in denen regional mehr Strom erzeugt als benötigt wird. Anwendungen mit hohem Strombedarf, wie das Training von KI, in Zeiten und an Orte mit Überproduktion zu verschieben, würde dazu führen, dass der zusätzliche Energiebedarf wahrscheinlich kaum relevant wäre. In vielen Ländern fehlen hierfür aber hinreichend starke Anreize, wie Strompreise, die regionale Knappheiten abbilden. Anpassungen der Rahmenbedingungen könnten bessere Anreize schaffen und die Sorge um den Energieverbrauch durch KI-Anwendungen fast obsolet machen.
Frank Krysiak ist Professor für Umweltökonomie an der Universität Basel und Leiter des Energieforschungszentrums SCCER CREST. Seine Forschung befasst sich mit der langfristigen Wirkung von Umwelt- und Energiepolitik auf technischen Fortschritt.
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