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Folge mir! (02/2022)

Wald ohne Regen.

Text: Angelika Jacobs

In einem Waldstück in Hölstein (BL) erforscht ein Team um Ansgar Kahmen, wie Bäume mit dem Klimawandel umgehen. Ein Besuch im Waldlabor.

Forscher an Bord einer Gondel über dem Blätterdach
Eine Gondel am Drahtseil eines Baukrans trägt die Forschenden über die Baumkronen des Waldlabors. (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Monatelang kaum Niederschlag. Ein weiterer Dürresommer liegt hinter uns, und der nächste dürfte nicht lange auf sich warten lassen: Mit dem Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit für lange Trockenheitsphasen. Die Spuren der Trockenheit in den letzten Jahren sind dem Wald vielerorts anzusehen.

Forstwirte fragen sich, wie sie einer Zukunft mit regelmässigen Trockenphasen begegnen sollen. Keimlinge aus Regionen pflanzen, in denen ohnehin weniger Niederschlag fällt? Oder es der Natur überlassen und hoffen, dass sich die Bäume anpassen? Wie können diese das überhaupt?

Forscher in Gondel sammelt Blätter
(Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

«Ein 100-jähriger Baum ist unter ganz anderen Bedingungen gekeimt als den heute herrschenden», erklärt Ansgar Kahmen. Durch eine Palette an Untersuchungen im Waldstück bei Hölstein versuchen der Botanikprofessor und sein Team herauszufinden, wie sich die Bäume an neue Umweltbedingungen anpassen, welche Baumarten widerstandsfähiger sind und was die biologische Grundlage für diese Anpassungsfähigkeit ist. Als die Untersuchungen 2018 begannen, konnten die Forschenden im Waldlabor als einzigem Standort in Europa die Effekte des extremen Hitzesommers auf die wichtigsten europäischen Baumarten umfassend dokumentieren.

Als Teil der Datenerhebung besteigen die Forschenden regelmässig eine Gondel, die sie mithilfe eines Baukrans über das Blätterdach trägt. Schweizweit ist der Kran ein Unikat: Kein anderer ist für den Personentransport zugelassen. In rund 30 Metern Höhe führen Kahmen und sein Team Messungen in den Baumkronen durch oder sammeln Blätter von ausgewählten Baumarten für weitere Analysen.

Forscher mit Taschenlampe in der Dunkelheit neben Baum mit Sensoren und Baum bei Tageslicht mit Sensoren
(Fotos: Universität Basel, Christian Flierl)

Bereits vor Sonnenaufgang erhebt das Forschungsteam Daten, sammelt Blätter und kontrolliert die Sensoren im Boden und an den Stämmen. Bodensensoren messen im Zehn-Minuten-Takt Temperatur und Feuchtigkeit. An den Stämmen von insgesamt 160 ausgewählten Bäumen haben die Forschenden unter anderem Band-Dendrometer angebracht. Diese Messgeräte zeigen mithilfe eines «Massbands» Veränderungen im Stammumfang an, was Aufschluss über das Wachstum des Baums gibt.

Weitere Sensoren namens «Punktdendrometer» messen automatisiert minimale Bewegungen des Stamms, wenn er sich um Mikrometer ausdehnt oder zusammenzieht. Tagsüber sind die Blattporen geöffnet, Wasser verdunstet und es entsteht ein Unterdruck in den Leitbahnen, der Wasser von den Wurzeln in die Höhe zieht. Dabei zieht sich der Stamm zusammen. Schliessen sich nachts die Poren, dehnt sich der Stamm bei ausreichender Wasserversorgung wieder aus. Kehrt er nicht vollständig zur vollen Ausdehnung zurück, deutet dies auf Wassermangel hin.

Ansgar Kahmen bei der Vorbereitung von Wasserpotenzialmessungen
Ansgar Kahmen bereitet Blätter für die Wasserpotenzialmessungen vor. (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Die aus den Baumkronen gesammelten Blätter vermessen die Forschenden in mehreren Schritten: Ansgar Kahmen präpariert einen Zweig für eine Messung des Wasserpotenzials. Das Wasserpotenzial beschreibt, wie gut ein Baum mit Wasser versorgt ist. Sinkt das Wasserpotenzial ab, schliesst der Baum seine Blattporen (Spaltöffnungen), um Wasser zu sparen. Sinkt es dann noch weiter ab, kann es zu irreparablen Schäden im hydraulischen System des Baumes kommen.

1. Bild: Zweig mit Blättern wird für Wasserpotenzialmessung vorbereitet, 2. Bild: Forscher notiert Messwerte
(Fotos: Universität Basel, Christian Flierl)

Die Messapparatur für Wasserpotenzialmessungen, die sogenannte Scholander-Bombe, wurde in der 1950er-Jahren entwickelt. Es ist eine einfache Druckkammer, die an eine Gasflasche angeschlossen ist. Aus der Kammer ragt der abgetrennte Stiel des Zweigs nach aussen. Ausgehend vom normalen Luftdruck erhöhen die Forschenden den Druck in der Kammer so weit, bis Saft aus den Leitbahnen des Zweigs austritt. Die Differenz zwischen diesem Druck und dem normalen Luftdruck erlaubt, das Wasserpotenzial im Zweig zu berechnen und festzustellen, ob der Baum unter Trockenstress leidet.

Regelmässig dokumentieren die Forschenden einzelne Messwerte aus dem Kronenraum der verschiedenen Baumarten, um festzuhalten, wie gut die Bäume mit Wasser versorgt sind. Diese Daten bringen Kahmen und sein Team mit den Messergebnissen der Sensoren an den Stämmen und im Boden in Zusammenhang, um die Reaktion der Bäume auf anhaltende Trockenheit im Zeit verlauf zu erfassen.

Ansgar Kahmen klappt eines der Regendächer an einem Gerüst um die Baumstämme auf
(Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Herzstück des Waldlabors ist ein Gerüst mit Dächern. Die Dächer leiten einen Teil des Niederschlags ab. So können die Forschenden den Boden um ausgewählte Bäume herum austrocknen. Sie setzen diese Bäume also künstlichen Dürreperioden aus und messen die Auswirkungen im Vergleich zu benachbarten Kontrollbäumen ohne Regendach. Ab Frühjahr 2023 soll das Trockenheitsexperiment im Waldlabor offiziell starten.


Ansgar Kahmen ist seit 2013 Professor für Physiologische Pflanzenökologie am Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel. Seine Forschung dreht sich um die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Vegetation.


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