Im Traum gibt es keine Regeln.
Interview: Noëmi Kern
Die Schlafforscherin Christine Blume erklärt, was die Forschung übers Träumen weiss und was bisher ungeklärt ist.
UNI NOVA: Frau Blume, wie entstehen Träume?
Christine Blume: Das Träumen zu erforschen, ist schwierig, da das Phänomen selbst nicht mit neurowissenschaftlichen Methoden messbar ist. Um zu erfahren, ob und vielleicht sogar was eine Person gerade träumt, muss man sie aufwecken. Wir können einen Traum daher nie im Moment seines Entstehens erfassen. Wir träumen von Dingen, die wir im Alltag erleben und die uns beschäftigen. Man spricht in der Forschung auch vom Wach-Traum-Kontinuum. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die tagsüber das Gleiche erlebt haben, auch ähnlich träumen.
Warum träumen wir?
Viele Menschen denken, dass Träume eine spezielle Funktion haben müssen, und seit jeher wird ihnen eine besondere Bedeutung beigemessen. Auch in der Psychologie und Psychiatrie gibt es therapeutische Ansätze, die den Träumen eine besondere Bedeutung zuschreiben. Beispielsweise wird vermutet, dass sie einen Zugang zu unbewussten Prozessen erlauben oder in Träumen schwierige Situationen simuliert werden, die uns auf Herausforderungen im realen Leben vorbereiten. Die neurowissenschaftliche Forschung konnte die Frage nach der Funktion von Träumen bislang jedoch noch nicht klären. Manche Forschende gehen sogar davon aus, dass sie nur ein Nebenprodukt der nächtlichen Gehirnaktivität sind, ein sogenanntes Epiphänomen, und möglicherweise gar keine spezielle Funktion haben.
Wann träumen wir?
Früher ging man davon aus, dass wir vor allem in der «Rapid Eye Movement»-Phase träumen. In diesem Schlafstadium sind wir quasi gelähmt und haben besonders intensive und bizarre Träume. Mittlerweile ist klar, dass wir in allen Schlafstadien träumen, auch wenn sich die Qualität der Träume je nach Schlafstadium unterscheidet. Wir träumen also vermutlich mehrere Stunden pro Nacht.
Warum erinnern sich manche Menschen besser an ihre Träume als andere?
Angesichts der Zahl und Dauer nächtlicher Träume erinnern wir uns nur an einen Bruchteil. Warum das Erinnern manchen leichter fällt als anderen, ist nicht endgültig geklärt. Die Aufmerksamkeit, die man Träumen widmet, spielt wohl eine Rolle. Daher kann man die Traumerinnerung trainieren, indem man zum Beispiel ein Traumtagebuch führt und die Träume direkt nach dem Aufwachen notiert, bevor das Gehirn sich mit anderen Dingen beschäftigt. Viele Menschen haben das Gefühl, mehr schlechte als positive Träume zu haben. Aber vermutlich erinnert man sich einfach besser an die negativen. Wie genau man sich an Träume erinnert, ist übrigens kein Indikator für guten oder schlechten Schlaf.
Träume sind manchmal völlig absurd. Woher kommt das?
Träumen wird auch mit Kreativität in Zusammenhang gebracht. Die Idee ist: Unser Gehirn bricht Gedächtnisinhalte auf und setzt Erfahrungen und ein Problem, das wir zu lösen versuchen, zu einer neuen Storyline zusammen. Im Unterschied zum Wachzustand fehlt im Schlaf die Kontrollinstanz, die sagt: «Nein, das geht nicht.» Dadurch können wir im Traum zum Beispiel fliegen.
Beinhalten Träume Botschaften?
Die Inhalte der Träume haben ihre Ursache im Wachsein und die Emotionen im Traum sind ähnlich wie im Wachzustand. Ein Traum kann daher Ausgangspunkt sein, um etwas anzugehen, das einen zu beschäftigen scheint. Welche Bedeutung man seinen Träumen beimisst und ob man sie auch deuten will, muss jede und jeder selbst entscheiden.
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