x
Loading
+ -

Kunst oder Code? Eine Gameshow an der Schnittstelle von KI und Kreativität

KI-generiertes Bild mit Musikern und Instrumenten
(Bild: KI generiert, Interfinity/zvg)

Die interaktive Gameshow «AI vs. Human Composers» lotet am 20. März in der Voltahalle die Grenzen zwischen menschlicher Kreativität und künstlicher Intelligenz in der Musik aus. Informatikprofessor Heiko Schuldt über ein Experiment, das zur Reflexion über die Evolution von Technologie und Kunst einlädt.

26. Februar 2024 | Reto Caluori

KI-generiertes Bild mit Musikern und Instrumenten
(Bild: KI generiert, Interfinity/zvg)

Herr Schuldt, Sie haben sich mit dem Musikfestival Interfinity zusammengetan, um KI-Kompositionen gegen Musik von Menschen antreten zu lassen. Das Publikum kann abstimmen, von wem die Werke stammen. Welches Ergebnis erwarten Sie?

Idealerweise kommt es zu einem ganz unentschiedenen Ergebnis. Ich gehe davon aus, dass die Qualität der KI-Komposition so gut ist, dass man sie zumindest als Laie nicht von den menschlichen Kompositionen unterscheiden kann. Deshalb erwarte ich nicht, dass es eine klare Tendenz auf die eine oder andere Seite geben wird.

Porträt von Heiko Schuldt
Prof. Dr. Heiko Schuldt. (Foto: Universität Basel, DMI)

Macht es für Sie einen Unterschied, ob wir diese Unterscheidung treffen können?

In vielen Anwendungen ist es sehr wichtig, von Menschen erstellte Inhalte von KI-generierten Inhalten zu unterscheiden. In diesem Fall sehe ich das nicht als essentiell an. Wir sprechen hier von klassischen Stücken, und es ist nicht trivial, ein Stück für ein komplettes Orchester so zu komponieren, dass es dann auch harmonisch klingt. Das kann man natürlich in einer Ausbildung in Komposition lernen, aber ich denke, dass die KI das genauso gut aus Daten lernen kann.

Bereits heute unterstützt KI medizinische Diagnosen und automatisiert Prozesse in der Industrie. Mit der Gameshow fordern Sie nun unsere Vorstellungen von Kreativität und dem Wert der Kunst heraus. Sind sie die letzten Refugien des menschlichen Geistes?

Möglicherweise nicht mehr, und man sieht das ja auch in anderen Bereichen. KI kann Musik generieren und Bilder erstellen. Damit werden mehr und mehr Kreativberufe in Frage gestellt. Lange hatte man gedacht, dass hauptsächlich die einfachen, manuellen, repetitiven Tätigkeiten diejenigen sind, die ersetzt werden. Und jetzt sind in ganz grossem Stil auch kreative Berufe in Gefahr, etwa von Werbetextern oder Grafikdesignerinnen, weil das Kreativleistung sind, die mittlerweile auch eine KI erbringen kann.

Kreativität und emotionale Resonanz spielen in Kunst und Musik eine zentrale Rolle. Sind wir nicht weniger geneigt, eine maschinelle Komposition zu akzeptieren als einen KI-generierten Code?

Ich glaube, das ist ein Prozess. Und wenn man sieht, wie gut die Qualität von dem ist, was eine KI erstellt, wird sich auch die Akzeptanz erhöhen, ähnlich wie wir das von Bildern bereits kennen. KI-generierte Bilder werden mittlerweile in grossem Umfang eingesetzt, weil man feststellt, dass die Qualität gar nicht so schlecht ist.

Das klingt jetzt sehr optimistisch. Sehen Sie in dieser Entwicklung auch Nachteile?

Sie hat definitiv Nachteile. Zum Beispiel weiss man gerade bei bildhafter Information schnell nicht mehr, was real existiert und was KI-generiert ist. Was hat wirklich stattgefunden? Was ist visuell vorgetäuscht? Von Texten kennen wir das schon, dass die Systeme halluzinieren können. Und das wird ein grosses Problem sein, das man wohl nur mit einem sehr hohen Mass an Transparenz wird lösen können. Das heisst, man muss immer deutlich machen: Das sind KI-generierte Inhalte und das sind reale Inhalte, die tatsächlich realen Begebenheiten entsprechen.

Im Anschluss an die Gameshow laden Forschende aus verschiedenen Disziplinen das Publikum zur Diskussion ein. Welche Expertise braucht die Gesellschaft, um sich mit den Auswirkungen von KI zu befassen?

Wir benötigen Expertise aus allen Bereichen, weil auch alle Bereiche betroffen sind. Insofern ist die Universität Basel als Volluniversität prädestiniert dafür, genau diese Diskussion zu KI voranzutreiben. Das ist nicht nur eine technische Diskussion, sondern es geht um viel weitergehende Fragen: Was sind die juristischen Konsequenzen für den Einsatz von KI in einem bestimmten Bereich? Welche ethischen Leitplanken sollten wir definieren? Was sind die gesellschaftlichen Konsequenzen? Ich glaube, das muss wirklich sehr breit und ganzheitlich diskutiert werden.

Als Informatiker verstehen Sie besser als viele andere, worauf KI-Systeme basieren und wie sie funktionieren. Wo beobachten Sie die grössten Missverständnisse in der Wahrnehmung von KI?

Oft wird eine KI oder ein grosses Sprachmodell als Quellen von Fakten und verlässlichen Informationen angesehen – aber das sind sie nicht. Was die Modelle produzieren, sind Dinge, die statistisch relevant, aber nicht unbedingt real sind. Deshalb ist es ist wichtig zu verstehen, was man von einem Sprachmodell als Antwort bekommt: nämlich einen Text, der so aussieht, als würde er Faktenwissen kommunizieren, in dem aber nicht alle Fakten tatsächlich stimmen. Oder ein Bild, das suggeriert, als hätte irgendwas stattgefunden, was aber nicht stattgefunden hat. Und da ist es wichtig zu wissen, wo die Grenzen liegen.

Und ein Verständnis der Technologie kann dabei helfen?

Beispielsweise wird heute anstelle von Google oft Chat GPT befragt, aber es macht natürlich einen riesigen Unterschied, ob die Technologie in einer Menge von Dokumenten sucht oder ob sie etwas neu generiert, das den Bedürfnissen der Anfrage entspricht. Natürlich hat man keine Garantie, dass alles, was man bei Google findet, auch tatsächlich korrekt ist. Aber es ist schon eine andere Qualität, wenn ein Ergebnis speziell für eine Anfrage neu generiert wird.

Die heutigen KI-Anwendungen sind das Resultat jahrzehntelanger öffentlich finanzierter Forschung. Aber jetzt haben grossen Unternehmen wie Microsoft und Alphabet die Nase vorn. Welche Rolle sehen Sie in Zukunft für die Universitäten?

Um die ganz grossen KI-Modelle zu entwickeln, braucht es riesige Datenmengen und gewaltige Rechenleistung, und in der Kombination haben das Hochschule nicht. Für sie sehe ich zwei ganz wichtige Aufgaben: Zum einen, ethische Leitplanken zu definieren, die dann auch gesellschaftlich akzeptiert werden müssen. Das ist eine Diskussion, die aus den Universitäten heraus kommen sollte in Form eines interdisziplinären, ganzheitlichen Dialogs.

Zum anderen: Die grossen Modelle sind sehr, sehr intransparent. Man weiss nicht, mit welchen Daten sie trainiert wurden, welchen Bias sie haben, und das Ergebnis ist oft überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir brauchen also neue Ansätze, um die Entscheidungen der KI transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Und es sollte Aufgabe der Universitäten sein, die entsprechenden Methoden zu definieren. Schliesslich noch ein weiterer Punkt: Wir sollten Modelle haben, die nicht so gross und mächtig sind, dafür solche, die offen und transparent sind, sodass man den ganzen Prozess von Anfang bis Ende nachvollziehen kann. Auch hier sind die Universitäten gefordert.

Artificial Art – eine dreiteilige Veranstaltungsreihe

Das Musikfestival Interfinity unter der Leitung von Lukas Loss präsentiert gemeinsam mit der Universität Basel am 20. März 2024 in der Voltahalle Basel ein aussergewöhnliches Konzert: In der Gameshow AI vs. Human Composers spielt ein Ensemble Werke, die von Menschen und von KI komponiert wurden. Das Publikum ist herausgefordert, den Ursprung der einzelnen Stücke zu erraten. Inputs aus der Forschung bereichern die interaktive Veranstaltung, und beim Apéro mischen sich Wissenschaftler*innen unter das Publikum, um mit den Besucher*innen über KI zu diskutieren.

Die Gameshow ist Teil der Veranstaltungsreihe «Artificial Art». Diese beginnt am 18. März 2024 im Novartis Pavillon mit einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion, an der die Professor*innen Gerd Folkers, Frank Petersen, Bianca Prietl, Heiko Schuldt und Martin Vetterli sowie Damir Bogdan, CEO QuantumBasel, teilnehmen. Am 19. März folgt ein Lecture Recital zum Thema «Künstliches Paradies» mit dem Schriftsteller Alain Claude Sulzer und dem Pianisten Denis Linnik.

Organisiert wird «Artificial Art» von Interfinity in Zusammenarbeit mit dem Forschungsnetzwerk Responsible Digital Society RDS der Universität Basel. Der Schweizerische Nationalfonds unterstützt die Gameshow über das Förderinstrument Agora.

nach oben