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Trumps Zollpolitik und das internationale Handelsrecht

Eine Frau mit schulterlangem, dunklem Haar und Brille spricht und gestikuliert mit der Hand. Im Hintergrund befinden sich Bücherregale.
PD Dr. Krista Nadakavukaren Schefer. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

US-Präsident Trump hat hohe Zölle gegen mehrere Länder verhängt und gegen weitere enge Handelspartner angekündigt. Welche Antworten das internationalen Handelsrecht darauf bietet, erläutert Rechtsexpertin PD Dr. Krista Nadakavukaren im Interview.

06. Februar 2025 | Reto Caluori

Eine Frau mit schulterlangem, dunklem Haar und Brille spricht und gestikuliert mit der Hand. Im Hintergrund befinden sich Bücherregale.
PD Dr. Krista Nadakavukaren Schefer. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Frau Nadakavukaren Schefer, darf ein US-Präsident eigenmächtig Zölle verhängen? Oder braucht er dafür die Zustimmung des Kongresses?

Zölle sind eines der Instrumente, über die ein US-Präsident sehr frei entscheiden kann. Zwar ist laut Verfassung der Kongress für Steuern und Finanzangelegenheiten zuständig. Doch dieser hat einen Teil seiner Kompetenzen an die Exekutive delegiert. Mit dem Trade Act von 1974 wurden dem Präsidenten weitreichende Befugnisse in Bezug auf Zölle übertragen. Dies sollte unter anderem dazu beitragen, den internationalen Handel schneller zu liberalisieren, indem der Präsident Zölle ohne Zustimmung des Kongresses senken oder abschaffen kann.

Nun sehen wir gerade das genaue Gegenteil einer Liberalisierung. 

Das Gesetz ermöglicht es dem Präsidenten auch, bei unfairen Handelspraktiken Zölle zu erheben oder zu erhöhen – wenn zum Beispiel ein ausländischer Hersteller Preisdumping betreibt und seine Produkte unter Wert anbietet oder wenn es unzulässige Subventionen gibt. Normalerweise müssen solche Zollerhebungen innerhalb eines geregelten Verwaltungsverfahrens geschehen und nehmen eine Mindestzeit in Anspruch, die der Öffentlichkeit die Möglichkeit gibt, Bedenken zu äussern.

Dennoch könnten Trumps Zollmassnahmen nun umgehend umgesetzt werden?

Richtig. Das ist nach einem anderen Gesetz möglich, dem International Emergency Economic Powers Act von 1977. Dieses ermächtigt den Präsidenten, bei einer Gefährdung der nationalen Sicherheit oder der Wirtschaft unverzüglich Massnahmen gegen Länder zu ergreifen, die er als Bedrohung ansieht.

Trump hat Importe aus Kanada, Mexiko und China mit hohen Abgaben belegt. Ist das mit dem internationalen Handelsrecht vereinbar?

Grundsätzlich nein, aber es gibt verschiedene Ebenen der völkerrechtlichen Regulierung von Zöllen. Auf der multilateralen Ebene bindet die Welthandelsorganisation (WTO) die Vereinigten Staaten an ihre Verpflichtungen aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT). Zölle sind zulässig, aber nur bis zu einem bestimmten Niveau, das die USA zuvor zugesagt hatten, und die von Trump eingeführten Importzölle gehen eindeutig über dieses Niveau hinaus. Daneben gibt es präferenzielle Abkommen, die die USA rechtlich zu Zollfreiheit oder Niedrigzölle im Handel mit bestimmten Partnern verpflichten. Freihandelsabkommen wie das United States-Mexico-Canada-Agreement (USMCA) erlauben gar keine Zollerhebungen – im Falle dieser Länder würden die angedrohten US-Zölle in Höhe von 25 Prozent direkt gegen internationales Recht verstossen.

Und trotzdem kann der Präsident Zölle verhängen?

Alle diese Handelsabkommen enthalten eine Ausnahmeklausel, die unter anderem bei Belangen der nationalen Sicherheit geltend gemacht werden kann. Trump behauptet nun, dass die nationale Sicherheit bedroht sei, und wenn dem so ist, dann sind diese Zölle gerechtfertigt.

Wie tragfähig ist die Berufung auf nationale Sicherheitsinteressen?

Das ist zwar wenig glaubwürdig, kann solche Massnahmen aber kaum verhindern. Ein Beispiel: Die erste Trump-Administration verhängte Zölle auf Stahl und Aluminium mit der Begründung, dass die Importe die Sicherheit der USA gefährdeten. Dagegen hat die Schweiz geklagt, und die WTO hat ihr Recht gegeben. Die USA legten dagegen Berufung ein, die jedoch noch nicht abgeschlossen ist, weil der WTO Appellate Body – das Berufungsgremium, das den Fall prüfen müsste –, nicht mehr existiert. Das liegt daran, dass die USA seit 2016 die Ernennung seiner Mitglieder blockieren. Es gibt also keine endgültige und verbindliche Entscheidung, die den USA einen Verstoss gegen ihre internationalen Verpflichtungen vorwirft.

Mit Kanada und Mexiko haben die USA Freihandelsabkommen. Haben diese Länder keine Möglichkeiten, dagegen vorzugehen?

Sie haben bereits angekündigt, dass sie Vergeltungszölle erheben werden. Sie könnten allenfalls versuchen, ein Schiedsverfahren im Rahmen des USMCA anstelle der WTO anzustrengen, aber auch dieser Weg verspricht wahrscheinlich keinen Erfolg, da die Trump-Administration wahrscheinlich auch diese Entscheidungen ignorieren wird. Damit fällt das gesamte Rechtssystem auseinander.

Und das internationalen Handelsrechts bietet auch keine Instrumente, um sich gegen Zölle zu wehren?

Aus juristischer Sicht ist es fast unmöglich, die Einführung von Zöllen zu verhindern. Grundsätzlich gäbe es die Möglichkeit, die Zölle anzufechten – China sagt, dass es dies bei der WTO tun wird –, aber es ist unwahrscheinlich, dass dies zur Aufhebung der Zölle in der WTO führt, da es kein Berufungsgremium gibt.

Wer ist berechtigt, um gegen Zölle zu klagen? Sind es nur Länder oder auch Unternehmen?

Auf nationaler Ebene können Unternehmen eine Regierung unter nationalem Recht verklagen, auf multilateraler Ebene jedoch nur Staaten. Sowohl in der EU als auch in den USA gibt es allerdings Verfahren, die es Unternehmen ermöglichen, eine Wunschklage bei ihrer Regierung einzureichen, damit diese die Klage auf multilateraler Ebene weiterverfolgt. Letztlich liegt es aber in beiden Fällen in der Hand der Regierungen, ob sie dies tun: Es ist eine politische Entscheidung, ob man gegen einen anderen Staat klagen will oder nicht.

Hat die WTO noch eine Zukunft oder steuern wir auf ihr Ende zu?

Die USA blockieren bereits seit der Obama-Regierung die Ernennung neuer Richter des WTO Appellate Body aus Gründen, die ich persönlich auch für teilweise gerechtfertigt halte – insbesondere die Tatsache, dass das Berufungsgremium seine eigenen Verfahrensregeln ignoriert hat, ohne dass dies Konsequenzen gehabt hätte. Theoretisch könnte das System so geändert werden, dass es den USA wieder passt und sie dann auf ihr Veto verzichten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das unter der Trump-Regierung passieren wird, weil sie kein Interesse daran haben, dass die WTO funktioniert. Und man repariert nur etwas, wenn man will, dass es funktioniert. Das bedeutet nicht, dass die WTO keine Zukunft hat, aber vielleicht keine, die auf dem Schutz des freien Handels durch internationales Recht beruht.

Wie wahrscheinlich ist ein Austritt der USA aus der WTO?

Ich halte das für denkbar, aber nicht unbedingt für sehr wahrscheinlich. Und zwar deshalb, weil die WTO zurzeit zahnlos gegenüber den USA ist. Ein Austritt würde unter diesen Umständen nicht viel bringen. Die Konsequenz dieser Situation ist, dass Freihandelsabkommen in der Praxis noch stärker die Powerhouses des Handels werden. Obwohl das Regelwerk der WTO weiterhin die Basis für bilaterale oder regionale Abkommen bildet, werde ich zum Beispiel meine eigene Vorlesung ändern, um die Freihandelsabkommen genauer anzusehen. Es entsteht eine immer komplexere Landschaft von Gesetzen.

Und was hat das für Konsequenzen?

Für Studierende wird es interessanter, weil die Anwendung der Grundprinzipien vielfältiger wird. Aber für die Praktiker, für die Unternehmen wird alles komplizierter, weil sie jetzt nicht nur ein Set von Regeln anschauen müssen, sondern 20 oder 30 verschiedene, und die sind alle ein bisschen anders. Die Juristen und Wirtschaftsspezialistinnen in Firmen, die eine Lieferkette managen müssen, haben es jetzt wirklich sehr schwer. Für grosse Unternehmen ist das schon schwierig genug, aber für kleinere Firmen und für Unternehmen in Ländern mit niedrigem Einkommen ist es fast unmöglich, die optimalen Handelsbedingungen zu ermitteln.

Welche Entwicklungen haben zu dieser Situation geführt?

Das Wachstum der präferenziellen Handelsgebiete ist meiner Meinung nach eine natürliche Entwicklung eines Systems mit 166 sehr unterschiedlichen Mitgliedern, die ihre Entscheidungen grundsätzlich nach dem Konsensprinzip treffen. Die WTO wurde in letzter Zeit immer wieder von einem (und keineswegs immer von den USA) oder mehreren Mitgliedern blockiert. Daher ist die Bereitschaft gross, Handelsregeln in kleineren Gruppen zu vereinbaren. Bilaterale und regionale Abkommen sind ein effektiveres und schnelleres Mittel, um die individuellen Präferenzen der Mitglieder zu berücksichtigen.

Aber die Zölle gegen Kanada und Mexiko richten sich nun genau gegen Mitglieder einer solch kleinen Gruppe.

Die Situation mit Trumps Zöllen ist schwierig zu erklären. Diese brechen WTO-Regeln und verstossen auch gegen die Regeln des USMCA – ein Abkommen, das die erste Trump-Regierung selbst ausgehandelt hat. Die Zölle gegen Kanada und Mexiko können in dieser Hinsicht nur zerstörerisch sein. Ich kann es mir nicht erklären, ausser dass die Bereitschaft, Freunde wirtschaftlich zu bestrafen, in der Persönlichkeit des Präsidenten selbst zu suchen ist. Es scheint mir, als wolle er einfach zeigen, dass er ohne irgendwelche Grenzen – und ganz besonders ohne das Völkerrecht – agieren kann und agieren wird.

Expertin für internationales Handelsrecht

PD Dr. Krista Nadakavukaren Schefer ist Lehrbeauftragte an der Juristischen Fakultät der Universität Basel und an der Universität Bern. Sie ist zudem Vizedirektorin und Co-Leiterin der Rechtsabteilung am Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung SIR. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich des Handels- und Investitionsrechts, wobei sie sich insbesondere mit der Interaktion zwischen dem internationalen Wirtschaftsrechtssystem und den Regeln des allgemeinen Völkerrechts in Bezug auf natürliche und menschliche Ressourcen befasst.

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