Kann die Schweiz Corona meistern, Frau Lein?
Text: Sarah Lein
Erste Bewertungen über den Umgang mit der Pandemie – aus ökonomischer Sicht.
Sars-CoV-2 schadet nicht nur der Gesundheit, es schadet auch der Wirtschaft. Die Massnahmen, die darauf abzielen, direkte Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren, bringen offensichtlich hohe wirtschaftliche Kosten mit sich, wie sich zeigt. Geschlossene Restaurants oder Detailhändler beispielsweise können keinen oder deutlich weniger Umsatz generieren. Aber lässt sich daraus schliessen, dass es die Massnahmen sind, die der Wirtschaft schaden?
Wir müssen uns fragen, wie es der Wirtschaft ohne die Massnahmen ergehen würde. Ohne oder mit zu schwachen Massnahmen würden die Ansteckungen sehr hoch ausfallen. Das sagen nicht nur die Epidemiologen, das zeigt auch die Erfahrung der Länder, in denen sich das Virus temporär fast ungehindert ausbreiten konnte. Wie würden sich also wichtige wirtschaftliche Komponenten wie der Konsum oder die Investitionen verhalten, wenn das Virus nicht unter Kontrolle ist? Gehen die Menschen weiterhin ins Restaurant oder ins Hotel? Viele Gäste würden dies aus Sorge um eine Ansteckung oder um die Verbreitung des Virus nicht tun. Der Umsatzrückgang wäre somit auch dann gross, wenn die Betriebe nicht direkt geschlossen würden. Gleichzeitig breitet sich das Virus mit zu schwachen Massnahmen weiter aus, was hohe Fallzahlen und in der Zukunft stärkere Massnahmen nach sich ziehen würde.
Das alles bedeutet also, dass es auch ohne Massnahmen einen Einbruch in der Wirtschaft gäbe. Dieser Einbruch könnte insgesamt mittelfristig sogar mehr Kosten verursachen als kurzfristige Eindämmungsmassnahmen. Das zeigt, dass es nicht unbedingt die Massnahmen sind, die der Wirtschaft schaden, sondern das Virus selbst. Studien haben gezeigt, dass die – quasi freiwillige – Zurückhaltung beim Konsum bisher eine bedeutende Rolle spielt. Untersuchungen aus den USA schätzen, dass ein grosser Teil des Rückgangs an ökonomischer Aktivität durch Verhaltensänderungen herbeigeführt wurde. Nur ein kleinerer Teil könne durch die einschränkenden staatlichen Massnahmen erklärt werden.
Diese Schätzungen lassen sich zwar nicht direkt auf die Schweiz übertragen. Sie zeigen aber auf, dass der Unterschied zwischen einer Wirtschaft mit und einer ohne Massnahmen gar nicht so gross ist, wie er scheint, wenn man fälschlicherweise eine Welt ohne Massnahmen, aber auch ohne Virus als Vergleich heranzieht.
Dies ist einer der wirtschaftlichen Gründe, warum sich die Schweiz die Kosten der Massnahmen leisten sollte. Die geschlossenen oder deutlich eingeschränkten Sektoren sollten nicht allein diese Kosten tragen, sondern wir alle. Daher sind gerade Programme wie die Kurzarbeit sehr gute Hilfen, um unnötige Konkurse und somit langfristige wirtschaftliche Schäden zu verhindern.
Zusammenfassend hat die Schweiz nicht nur unter gesundheitspolitischen, sondern auch unter wirtschaftlichen Aspekten richtig gehandelt, als sie die Massnahmen ergriffen hat. Dass die Schweiz im Gegensatz zu vielen anderen Ländern versucht, die Volksschulen geöffnet zu halten, ist aus wirtschaftlicher Sicht gut, da Schulschliessungen Bildungsunterschiede verschärfen. Wichtig wäre es dazu, umfassendere Teststrategien und vor allem ein funktionierendes Contact Tracing zu implementieren, um zu verhindern, dass die Fallzahlen ausser Kontrolle geraten. Diese sind viel günstiger als breite Lockdowns und wurden bisher zu wenig ausgebaut. Mit einer raschen Durchimpfung kommt hoffentlich das Ende der Pandemie. Je schneller das vorangeht, desto besser für die Wirtschaft. Hier lohnen sich auch hohe Investitionen in die Geschwindigkeit der Impfkampagne.
Hinweis: Der Beitrag wurde im Februar 2021 verfasst und beruht auf den Entwicklungen bis zu diesem Zeitpunkt.
Sarah Lein ist Professorin für Makroökonomie an der Universität Basel. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen monetäre Ökonomie, Konjunktur und internationale Makroökonomie
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