Ein frischer Blick auf die Welt
Stadtplanung, Heimatschutz, Politik, Wissenschaft: Lucius Burckhardt und Annemarie Burckhardt-Wackernagel engagierten sich vielfältig in ihrer Heimatstadt. Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Basel beleuchtet Leben und Wirken des Basler Intellektuellenpaars.
29. Januar 2025 | Noëmi Kern
Burckhardt mit c-k-d-t, das ist «Daig». Zu dieser Oberschicht der Stadt Basel gehört auch die Familie Wackernagel. Ihre grossbürgerliche Herkunft legten Lucius Burckhardt (1925–2003) und Annemarie Burckhardt-Wackernagel (1930–2012) nicht ab. So bewohnte das Paar ein grosses Haus und besass eine ansehnliche Keramiksammlung.
«Doch die beiden waren auch unbequem und eckten an, zum Beispiel, als sie in den 1980er-Jahren gegen den Bau des Basler Autobahnabschnitts Nordtangente kämpften», sagt Jennifer Degen. Sie ist Co-Kuratorin der Ausstellung «sehend denken» und hat sich intensiv mit dem Nachlass des Ehepaars Burckhardt-Wackernagel befasst, der seit 2012 im Besitz der Universitätsbibliothek Basel ist.
Einsatz für die Heimat
Der Titel der Ausstellung spielt darauf an, dass Lucius Burkhardt die Umgebung sehr genau betrachtete und ihre Gestaltung hinterfragte: «Was ist Landschaft? Warum ist sie schön – oder eben nicht?» Wie Menschen ihre städtische und ländliche Umwelt wahrnehmen, wie sie Raum nutzen und gestalten und wie man Landschaften pflegen und schützen kann, beschäftigte den Nationalökonomen und Soziologen zeitlebens.
Solchen Fragen näherte er sich auf theoretische Weise an, aber er engagierte sich auch konkret: Burckhardt übte Kritik an der Stadt- und Landschaftsplanung und kämpfte in den 1940er-Jahren gegen eine Autostrasse quer durch die Basler Altstadt.
Der Austausch mit seiner Frau Annemarie war für Burckhardt dabei stets wichtig: «Sie haben viel miteinander diskutiert und waren ein eingespieltes Team. Deshalb muss diese Frau in der Ausstellung unbedingt auch einen Platz haben», sagt Jennifer Degen. Obwohl oder gerade weil sie im Vergleich zu ihrem Mann, dem Professor, eine weniger bekannte Person war. Aber auch sie engagierte sich – unter anderem im Basler Heimatschutz und im Grossen Rat für die «Grüne Alternative Basel», die er mitbegründet hatte.
Spazieren, um besser zu sehen
Überhaupt stand ihre Heimatstadt Basel für die Burckhardts immer im Fokus, auch wenn sie jahrelang im Ausland lebten, unter anderem in Kassel. «Durch die räumliche Distanz hatten sie wohl auch einen anderen Blick auf ihre Heimat», vermutet die Kuratorin. Im Rahmen von Lucius’ dortiger Lehrtätigkeit begründeten sie auch die sogenannte Spaziergangswissenschaft oder Promenadologie. Denn ihrer Meinung nach lassen sich beim Spazierengehen intellektuelle Reflexion, Wahrnehmung und räumliche Bewegung besonders gut verbinden.
Auch bei der Kuratorin hat die Denkweise des Paars Spuren hinterlassen. «Je länger ich mich mit diesen beiden interessanten Personen beschäftig habe, desto mehr habe ich mich im Alltag gefragt, wie sie sich wohl zu aktuellen Projekten in der Stadt Basel positioniert hätten. Ich bin sicher, Lucius Burckhardt hätte sich über das Nein zum Autobahnausbau und zum Rheintunnel gefreut, worüber die Schweizer Bevölkerung im vergangenen November abgestimmt hat», sagt sie.
Lucius und Annemarie Burckhardt leiteten dazu an, bewusst zu sehen, präzise zu zeigen und über Muster und Gewohnheiten nachzudenken. «Ich wünsche mir, dass die Ausstellung die Besuchenden dazu anregt, die selbstverständlich scheinenden Dinge des Alltags zu hinterfragen, über die dahinter wirkenden Mechanismen nachzudenken, und einen neuen Blick darauf zu werfen», so Jennifer Degen. Impulse dazu geben Postkarten, die man am Ende der Ausstellung mitnehmen kann. Sie stellen Fragen wie «Weisst du die Telefonnummer deiner Freundin auswendig? Falls Nein: Weshalb nicht? Wäre das vor 20 Jahren anders gewesen? Welche Kräfte wirken, dass sich solche Dinge verändern?»
«sehend denken»
Die Ausstellung ist ein Streifzug durch das breite Wirken des Ehepaars Burckhardt. Sie zeigt Fotos, Schriften und Objekte aus dem umfangreichen Nachlass. In Audioinstallationen ist Annemarie im Interview mit dem Soziologieprofessor Ueli Mäder zu hören, und auch Weggefährtinnen und -gefährten kommen zu Wort.
Dazu gibt es ein vielfältiges Begleitprogramm, unter anderem Spaziergänge, Vorträge, Workshops und ein historisches Kabarett.
Vernissage am 29. Januar 2025 um 18.00 Uhr in der UB Hauptbibliothek, Vortragssaal (1. Stock) mit Thomas Kissling (Trägerverein der Ausstellung) und Jennifer Degen (Co-Kuratorin). Begrüssung durch UB-Direktorin Alice Keller.
Die Ausstellung dauert vom 30. Januar bis 13. August 2025. UB Hauptbibliothek, Ausstellungsraum (1. Stock), Schönbeinstrasse 18–20, Basel. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 8 bis 19.30 Uhr, Samstag 10 bis 19.30 Uhr; der Eintritt ist frei.