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UNESCO nimmt Friedrich Nietzsches literarischen Nachlass ins Weltdokumentenerbe auf

Handschriftliche Manuskriptseite von Friedrich Nietzsche. Der Text ist in brauner Tinte auf beigem Papier verfasst und enthält handschriftliche Korrekturen und Anmerkungen.
«Der Fall Wagner»: Handschriftliche Manuskriptseite von Friedrich Nietzsche, 1888. (Ausschnitt; UB Basel, NL 200, II 1)

Der literarische Nachlass von Friedrich Nietzsche wird Teil des UNESCO-Registers «Memory of the World». Diese Auszeichnung würdigt die herausragende Bedeutung seines literarischen Schaffens für die internationale Kultur- und Geistesgeschichte. Nietzsche, einst Professor an der Universität Basel, hat auch in Basel Spuren hinterlassen: Teile seines Nachlasses befinden sich in der Universitätsbibliothek Basel und im Staatsarchiv Basel-Stadt. Zudem ist die Universität Basel ein wichtiger Standort der Nietzsche-Forschung.

11. April 2025

Handschriftliche Manuskriptseite von Friedrich Nietzsche. Der Text ist in brauner Tinte auf beigem Papier verfasst und enthält handschriftliche Korrekturen und Anmerkungen.
«Der Fall Wagner»: Handschriftliche Manuskriptseite von Friedrich Nietzsche, 1888. (Ausschnitt; UB Basel, NL 200, II 1)

Der Philosoph, Dichter und Komponist Friedrich Nietzsche (1844–1900) ist einer der bekanntesten, einflussreichsten und auch umstrittensten Autoren der jüngeren Zeit. Angesichts seiner weltweiten Rezeption im 20. und 21. Jahrhundert ist «Nietzsche» ein einzigartiges internationales und interdisziplinäres Phänomen. Seine Resonanz ist bis heute in vielen Bereichen der kulturellen, sozialen und ästhetischen Forschung lebendig.

Entgegen der Tatsache, dass Nietzsche vorgab, unzeitgemäss zu sein, ist sein Werk bezeichnend für seine Zeit und ihre kulturellen Umwälzungen. Indem er über den Aufstieg der Industriekultur, der wissenschaftlichen Technik und des Geschichtsbewusstseins nachdachte, beobachtete er auch den Verlust der Gewissheit, den Rückgang der gemeinsamen religiösen Orientierung und die Unsicherheit der Zukunft.

Dokumente von universellem Wert

Die UNESCO nimmt Friedrich Nietzsches literarischen Nachlass nun in ihr «Memory of the World»-Register auf. Dieses Register wurde 1995 geschaffen und verzeichnet Schriftstücke, Manuskripte, Bild-, Ton- und Filmdokumente, Buch- und Archivbestände sowie andere Dokumente, die den Selektionskriterien von internationalem Interesse und universellem Wert entsprechen.

Fotografie einer Büste von Friedrich Nietzsche. Die Skulptur zeigt Nietzsche mit markantem Schnurrbart und ernstem Gesichtsausdruck, dargestellt bis zur Brust.
Nietzsche-Büste des Basler Bildhauers Alexander Zschokke im Dozierenden-Lesesaal der Universitätsbibliothek Basel. (Bronze, 1926, Kunstkredit Basel-Stadt)

Ein grosser Teil von Nietzsches literarischem Nachlass wird heute im Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar aufbewahrt. Aber auch in Basel, wo er von 1869 bis 1879 lebte und wirkte, sowie in Sils Maria (GR), wo Nietzsche in den 1880er-Jahren die Sommermonate verbrachte und viele seiner berühmten Werke verfasste, hat Nietzsche viele Spuren und bedeutende Dokumente hinterlassen.

1869 wurde er von der Universität Basel zum Professor für griechische Sprache und Literatur ernannt. Bis zu seiner krankheitsbedingten Amtsaufgabe 1879 stand er in regem Austausch mit Franz Overbeck, Jacob Burckhardt, Johann Jakob Bachofen und anderen Basler Gelehrten. In den Basler Jahren entstanden erste Publikationen wie «Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik» (1872), «Unzeitgemässe Betrachtungen» (1873-76) und «Menschliches, Allzumenschliches» (1878).

Basler Tradition der «nüchternen» Auseinandersetzung

Zu Nietzsches literarischem Nachlass in Basel gehören Manuskripte, Briefe und persönliche Dokumente (wie die bedeutende Psychiatrie-Krankenakte von 1889), die unter anderem von Franz Overbeck, Jacob Burckhardt, Meta von Salis, Carl Albrecht Bernoulli und weiteren Personen gesammelt wurden. Sie befinden sich in der Universitätsbibliothek Basel und im Staatsarchiv Basel-Stadt und bildeten die Grundlage für die spezifische Basler Tradition der «nüchternen» Auseinandersetzung mit Nietzsches geistigem und biografischem Erbe im Gegensatz zur früheren, heroisierenden «Weimarer Tradition».

«Grundsätzlich würde es Nietzsche wohl nicht gefallen, nur als eine Person der Vergangenheit geehrt zu werden. Dass aber die von ihm hinterlassenen Manuskripte und Briefe in der Universitätsbibliothek Basel offen und für alle zugänglich einsehbar sind, fände er (hoffentlich) gut», so Dr. Alice Keller, Direktorin der Universitätsbibliothek Basel, anlässlich der UNESCO-Auszeichnung. «Nur so können sie unseren Benutzerinnen und Benutzer als Inspiration und Denkanregung für die eigene Gegenwart dienen. Die Aufnahme seines literarischen Nachlasses ins Weltdokumentenerbe trägt dazu bei, diesen Effekt zu verstärken.»

Nietzsche-Forschung an der Universität Basel

Die Universität Basel hat sich im Zuge der fälschungsfreien Neuedition von Nietzsches Werken seit Ende der 1970er-Jahre zu einem Ort der Nietzsche-Forschung im Sinn der Basler Tradition etabliert. Seit den 1990er-Jahren wurde die «Kritische Gesamtausgabe der Werke Nietzsches» (KWG) massgeblich in Basel fortgesetzt. Die Manuskript-Edition der späten Notiz und Arbeitshefte (1885–1889) gehört zu den Meilensteinen der Nietzsche-Edition mit einer Wirkung weit über den engeren Bereich der Nietzsche und Editionsforschung hinaus.

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