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Im Bann der Fadenspiele

Zwei Menschen spielen mit drei Händen ein Fadenspiel auf weissem Hintergrund.
Das Fadenspiel fasziniert Gross und Klein. (Bild: Piet Esch/Point de Vue/Museum Tinguely)

Mit einem Faden und den Fingern Objekte darstellen: Das fasziniert die Menschen seit Generationen. Eine neue Ausstellung im Museum Tinguely lädt dazu ein, sich mit dieser Kulturtechnik auseinanderzusetzen. Zwei Mitarbeitende der Universität Basel haben die forschende Ausstellung «Fadenspiele/String Figures» kuratiert.

18. November 2024 | Olivia Fischer

Zwei Menschen spielen mit drei Händen ein Fadenspiel auf weissem Hintergrund.
Das Fadenspiel fasziniert Gross und Klein. (Bild: Piet Esch/Point de Vue/Museum Tinguely)

Mit raschen Bewegungen befördert Mario Schulze den leuchtgrünen Faden von seinem Zeigefinger zum Daumen. Im Sekundentakt tanzt der Faden von Finger zu Finger, und bildet stets neue Formen. Was aus diesem Fadenspiel wohl wird? «Das ist die Kaffeetasse», erklärt er, «und jetzt ist es der Eiffelturm!»

Mario Schulze vom Fachbereich Medienwissenschaft der Universität Basel und Sarine Waltenspül von den Universitäten Basel und Luzern beschäftigen sich seit mehreren Jahren mit Fadenspielen wie diesen. Nun haben sie im Museum Tinguely in Basel eine Ausstellung namens «String Figures/Fadenspiele. Eine forschende Ausstellung» kuratiert.

Im Rahmen ihres Ambizione-Projekts des Schweizerischen Nationalfonds untersucht Waltenspül zusammen mit Schulze eigentlich die Encyclopaedia Cinematographica. Dabei handelt es sich um eine wissenschaftliche Filmsammlung aus dem 20. Jahrhundert mit mehreren tausend Titeln.

Beim Durchstöbern der Sammlung stiessen sie auf eine Handvoll Filme, die Fadenspiele zeigen. «Wir haben uns entschlossen, unseren Fokus für die Ausstellung auf dieses Thema zu legen, da diese unscheinbaren Fadenspiele, für die es nur eine Schnur und Hände braucht, so viel Geschichte in sich tragen. Das hat uns fasziniert», sagt Schulze.

Eine Tradition mit vielen Gesichtern

Woher die uralte Praxis des Fadenspiels kommt, lässt sich trotz einer Vielzahl an Forschungsarbeiten nicht nachvollziehen. Sie entwickelte sich wohl an verschiedenen Orten parallel, sodass das Spiel auf allen Kontinenten Tradition hat. Es dient als Zeitvertreib, ist eine Art, um Geschichten zu überliefern, oder hat rituelle und spirituelle Funktionen. In vorkolonialen Zeiten war es im heutigen Kiribati beispielsweise Teil von Totenritualen. In der Schweiz ist auch das gemeinsame Fadenspiel populär, wie das weitaus weniger komplexe Abnehmspiel, das Kinder miteinander spielen.

«Fadenspiele widerspiegeln Lebenswelten», erklärt Sarine Waltenspül. In Europa zum Beispiel ist der Eiffelturm ein weit verbreitetes Motiv. In der Arktis werden oft Schlitten, Hunde oder Bären gezeigt, während in Ozeanien das Fischernetz ein beliebtes Sujet ist.

Ein Blick in die Ausstellung

In der neuen Ausstellung präsentieren Waltenspül und Schulze nun diese Vielfalt und gehen der ethnologischen und künstlerischen Erforschung der Fadenspiele nach. Hier beziehen sie auch Vertreterinnen und Vertreter der Herkunftsgesellschaften mit ein.

Eines der ausgestellten Werke sind die String Figure Prints von Kunstschaffenden aus Yirrkala, Australien. Bei den dort lebenden Yolngu haben Fadenspiele eine lange Tradition. Sie stellen oft Tiere und Objekte aus deren Lebenswelt dar, wie zum Beispiel Schildkröten.

Künstlerinnen und Künstler aus Yirrkala haben mit Radierungen ihrer Fadenspiel-Figuren Zugang zum Kunstmarkt gefunden. «Die Prints sind äusserst ästhetisch», erklärt Sarine Waltenspül, «und gleichzeitig ist es beeindruckend, wie die Yolngu ihre Kunst als Medium benutzen, um ihre Rechte auf Selbstbestimmung geltend zu machen, und ihre Traditionen für die Nachwelt konservieren.»

Forschung, Lehre und Vermittlung kombinieren

Ihr Wissen über das Forschen mit dem Medium Ausstellung geben Schulze und Waltenspül auch im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Universität Basel weiter. «Die Studierenden bekommen sozusagen einen Crashkurs in Curatorial Studies», erklären die Forschenden.

Im Seminar verbinden Waltenspül und Schulze die Theorie mit der Praxis. Die Studierenden setzen sich mit Texten zur Kuration auseinander und erwerben Wissen über die Geschichte von Ausstellungen zwischen Kunst und Ethnologie. Auch Museumsbesuche stehen auf dem Plan, zum Beispiel erleben die Studierenden den Aufbau der Ausstellung im Museum Tinguely mit.

Fadenspiele/String Figures. Eine forschende Ausstellung

Vom 20. November 2024 bis 9. März 2025
Museum Tinguely, Paul Sacher-Anlage 2, 4002 Basel

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Donnerstag 11 bis 21 Uhr

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