Fair oder unfair? Gesichtszüge beeinflussen die Akzeptanz von sozialer Ausgrenzung
Oft werden Menschen aus Gruppen ausgegrenzt. Ob dies für unbeteiligte Dritte akzeptabel ist, kann von den Gesichtszügen der Ausgeschlossenen abhängen. Bei kühl und wenig kompetent wirkenden Menschen wird eine Ausgrenzung am ehesten akzeptiert. Dies zeigt ein Forschungsteam der Universität Basel im Fachblatt «Journal of Experimental Social Psychology».
29. August 2016
Soziale Ausgrenzung, ob in der Schule, im Freundeskreis oder bei der Arbeit, ist für die Betroffenen in der Regel eine schmerzhafte Erfahrung. Oft lässt sie auch Unbeteiligte nicht kalt: Vor allem Mobbing und Ausgrenzung mit dem Ziel, die Opfer zu verletzen, werden in der Regel als unfair und inakzeptabel wahrgenommen. Je nachdem wird eine Ausgrenzung aber auch als gerechtfertigt angesehen. So schliessen Gruppen eher Menschen aus, die für Unruhe und Streit sorgen, um damit die Harmonie in der Gruppe wiederherzustellen.
Rasche moralische Urteile
Ob Unbeteiligte soziale Ausgrenzung als moralisch gerechtfertigt betrachten oder nicht, kann für die Betroffenen sehr wichtig sein, weil davon eine mögliche Unterstützung abhängt. Ein moralisches Urteil zu treffen ist aber meist schwierig und zeitaufwendig, weshalb sich die Aussenstehenden von relativ oberflächlichen Hinweisen leiten lassen. Ein solcher Hinweis ist etwa das Gesicht der ausgegrenzten Person.
In mehreren Studien präsentierte das Psychologenteam der Universität Basel insgesamt 480 Probanden verschiedene männliche Gesichter, die zuvor mithilfe einer kürzlich entwickelten Methode zur Gesichtermanipulation in ihren Charakteristika verändert wurden. Die entstandenen Gesichter variierten darin, ob sie eher kühl oder liebenswürdig aussahen und ob sie eher mehr oder weniger kompetent wirkten. Die Teilnehmenden sahen ein Gesicht für jeweils zwei Sekunden und mussten spontan entscheiden, wie akzeptabel es ist, dass eine Gruppe diese Person ausgrenzt.
Mehr Schutz für Personen, die liebenswürdig und hilfsbedürftig aussehen
In allen Studien fanden es die Teilnehmenden als am ehesten vertretbar, Menschen auszugrenzen, die allein aufgrund ihrer Gesichtszüge kühl und wenig kompetent wirkten. Am wenigsten akzeptabel fanden es die Probanden hingegen, Menschen auszuschliessen, die zugleich liebenswürdig und wenig kompetent wirkten. Dies könnte daran liegen, dass solche Personen häufig als besonders schützenswert wahrgenommen werden und sie auszugrenzen als besonders grausam erscheint, sagt Studienleiterin Dr. Selma Rudert von der Abteilung für Sozialpsychologie der Universität Basel.
Aus früheren Forschungsarbeiten ist bekannt, dass Menschen sehr klare Vorstellungen davon haben, wie etwa eine herzliche oder eine gefühlskalte Person aussieht. Tatsächlich gibt es jedoch keine Belege für einen Zusammenhang zwischen den Gesichtszügen und den Persönlichkeitseigenschaften einer Person. Mit anderen Worten: Der Schein trügt, und dennoch lassen sich Menschen von diesem Schein in ihrem Urteil leiten. Besonders die im Gesicht wahrgenommene Liebenswürdigkeit und Kompetenz einer Person spielt bei dieser Beurteilung eine wichtige Rolle.
Objektivität wäre wichtig
«Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der erste subjektive Eindruck einer Person auch moralische Urteile beeinflussen kann, bei denen Objektivität eigentlich besonders wichtig wäre», erklärt Rudert. Denn diese können weitreichende Folgen für das Verhalten von Menschen in Ausgrenzungssituationen haben: «Es wäre denkbar, dass ein kühl und wenig kompetent aussehendes Ausgrenzungsopfer weniger Unterstützung erhält oder dass sich andere im schlimmsten Fall sogar auf die Seite der ausgrenzenden Gruppe schlagen – und dies nur aufgrund eines einzelnen Blicks in das Gesicht der ausgegrenzten Person.»
Originalbeitrag
Selma Carolin Rudert, Leonie Reutner, Rainer Greifeneder, Mirella Walker
Faced with exclusion: Perceived facial warmth and competence influence moral judgments of social exclusion
Journal of Experimental Social Psychology (2016), doi: 10.1016/j.jesp.2016.06.005
Weitere Auskünfte
Dr. Selma Rudert, Universität Basel, Fakultät für Psychologie, Abteilung für Sozialpsychologie, Tel. +41 61 207 06 05, E-Mail: selma.rudert@unibas.ch
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