Knochen aus der Eiszeit geben Einblicke in die Schweizer Pferdepopulation
Forschende der Universität Basel haben erstmals untersucht, wie regionale Umwelteinflüsse die Population der Wildpferde vor rund 25'000 Jahren in der Schweiz beeinflusst haben. Es zeigte sich: Im Gegensatz zu den Wildpferden in der eurasischen Steppe wuchs die Population in der Schweiz nach der Eiszeit deutlich an. Die Fachzeitung Plos One hat die Resultate veröffentlicht.
09. Juni 2017
Das Hauspferd wurde vor etwa 5500 Jahren in der zentralasiatischen Steppe in Kasachstan domestiziert. Seine wilden Vorfahren sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgestorben. Zwar gibt es noch ursprüngliche Wildpferde wie das Przewalskipferd, sie sind aber keine Ahnen des Hauspferdes. Archäologische und paläontologische Funde sind deshalb die einzigen Quellen, um die Geschichte der Wildpferde zu erforschen.
Knochen aus der Eiszeit
Global betrachtet sind es Umweltveränderungen natürlicher oder anthropogener Art, die Veränderungen in der Verbreitung und Grösse von Tierpopulationen antreiben. Bisher ist jedoch wenig zu den Dynamiken bekannt, welche eine Population auf regionaler Ebene beeinflussen. Forschende des Fachbereichs Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie (IPNA) der Universität Basel haben nun zum ersten Mal eine chronologische genetische Studie mit lokalem Fokus an archäologischen Pferderesten aus dem Gebiet der heutigen Schweiz durchgeführt.
Die insgesamt 92 archäologischen Pferdeüberreste stammen aus neun Fundorten im Schweizer Jura und decken verschiedene Zeitabschnitte ab. Ein Teil geht auf die Zeit vor und während der letzten maximalen Vergletscherung vor rund 25'000 Jahren zurück, als weite Teile der Schweiz unter einer dicken Eisschicht lagen. Weitere Knochen stammen aus der darauffolgenden Periode als Pflanzen, Tiere und Menschen die Gegend wieder besiedelten.
Mütterliche Abstammungslinien
Die Basler Forscher untersuchten die DNA der Überreste hinsichtlich eines kurzen Abschnitts aus dem Genom des Mitochondriums. Dieses wird rein über die Mutter vererbt und erlaubt deshalb Einblicke in die mütterliche Abstammungslinie der Tiere.
Die statistischen Analysen ergaben, dass es im Lauf der Zeit zu grossen Veränderungen in der Zusammensetzung und Grösse der Pferdepopulation in der Schweiz kam. Nachdem sich das Eis zurückgezogen hatte, wanderte eine neue Pferdepopulation auf das Gebiet der heutigen Schweiz ein. Der Bestand wuchs rasch an und bestehende Gruppen, die in der Gegend des Rheinknies die Maximalvergletscherung überlebt hatten, wurden wohl verdrängt. Zur gleichen Zeit entwickelte sich die Situation beispielsweise in der Eurasischen Steppe gegensätzlich. Hier, im Kerngebiet des Pferdes, ging die Population nach dem eiszeitlichen Maximum deutlich zurück.
In der Schweiz starb das Wildpferd dann spätestens am Ende der Jungsteinzeit aus. Da es aus dieser Zeit nur sehr wenige archäologische Pferdereste gibt, ist dieser Prozess genetisch schwer fassbar. Die nun veröffentlichte Studie mit lokalem Fokus zeigt, dass sich klimatischen und anthropogenen Umweltveränderungen lokal unterschiedlich auf die Populationsentwicklung einer Spezies auswirken können.
Originalartikel
Julia Elsner, Michael Hofreiter, Jörg Schibler, Angela Schlumbaum
Ancient mtDNA diversity reveals specific population development of wild horses in Switzerland after the Last Glacial Maximum
Plos One (2017), doi: 10.1371/journal.pone.0177458
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Jörg Schibler, Universität Basel, Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie, Tel. +41 61 207 42 12, E-Mail: joerg.schibler@unibas.ch