Neue Studie zu Placeboeffekt und Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen
Die klinische Wirksamkeit von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen ist nachgewiesen, wird aber auch häufig von Nebenwirkungen begleitet. Ausserdem ist der Einfluss des Placeboeffekts auf die Wirkung von Antidepressiva unklar. Eine Meta-Analyse der Daten von über 6500 Patienten zeigt nun: Im Vergleich zu Placebo wirken Antidepressiva zwar besser, der Unterschied ist allerdings klein und schwankt je nach Art der psychischen Störung. Die Fachzeitschrift «JAMA Psychiatry» hat die Resultate der Universität Basel und der Harvard Medical School veröffentlicht.
15. September 2017
Zu den häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen gehören Angststörungen, depressive Störungen, Zwangsstörung und posttraumatische Belastungsstörung. Zusätzlich zu psychotherapeutischen Interventionen erhalten Kinder und Jugendlichen zur Behandlung auch neuere Antidepressiva wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI).
Antidepressiva wirken besser als Placebo, haben aber mehr Nebenwirkungen
Psychologinnen und Psychologen der Universität Basel haben zusammen mit Kollegen der Harvard Medical School und des amerikanischen National Institute of Mental Health 36 Medikamentenstudien analysiert. Die Studien umfassten insgesamt Daten von 6778 Kindern und Jugendlichen im Alter von bis zu 18 Jahren.
Die Ergebnisse der Meta-Analyse zeigen einerseits, dass Antidepressiva verglichen mit Placebo zwar signifikant besser über die verschiedenen Störungen wirken, der Unterschied aber klein ist und je nach Art der psychischen Störung schwankt. Andererseits zeigte sich, dass der Placeboeffekt in der Wirkung von Antidepressiva eine wesentliche Rolle spielt. Die Studie ergab ausserdem, dass Patienten, die mit Antidepressiva behandelt wurden, mehr Nebenwirkungen beklagten, als solche, die ein Placebo erhielten. Die Nebenwirkungen reichten von leichten Symptomen wie Kopfschmerzen bis hin zu suizidalen Handlungen.
Placeboeffekt stärker bei Depressionen
Laut Studie unterscheiden sich die Effekte von Antidepressiva und Placebo je nach Art der psychischen Störung: Antidepressiva haben bei Angststörungen eine grössere spezifische Wirkung als bei depressiven Störungen. Hingegen wirken Placebos bei depressiven Patienten stärker als bei solchen mit einer Angststörung. Die Erstautorinnen Dr. Cosima Locher und Helen Koechlin der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel sehen hier Potenzial für neue Behandlungskonzepte, die die Wirkung der Faktoren, die zum Placeboeffekt beitragen, bei Depressionen gezielt nutzen.
Individuelle Abklärung notwendig
Die Meta-Analyse zeigt aber auch, dass Antidepressiva in der Behandlung von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter eine wichtige Rolle einnehmen. «Dabei ist es wichtig, das Verhältnis zwischen klinischem Nutzen und möglichen Nebenwirkungen im Gespräch mit dem behandelnden Arzt individuell abzuklären», so Locher.
Originalbeitrag
Cosima Locher, Helen Koechlin, Sean R. Zion, Christoph Werner, Daniel S. Pine, Irving Kirsch, Ronald C. Kessler, Joe Kossowsky
Efficacy and Safety of Selective Serotonin Reuptake Inhibitors, Serotonin-Norepinephrine Reuptake Inhibitors, and Placebo for Common Psychiatric Disorders Among Children and Adolescents
A Systematic Review and Meta-analysis
JAMA Psychiatry (2017), doi: 10.1001/jamapsychiatry.2017.2432
Weitere Auskünfte
- Dr. Cosima Locher, Universität Basel, Fakultät für Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Tel. +41 61 207 03 85, E-Mail: cosima.locher@unibas.ch
- Helen Koechlin M Sc, Universität Basel, Fakultät für Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Tel. +41 61 207 58 31, E-Mail: helen.koechlin@unibas.ch