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Rechner der Zukunft (02/2017)

Qubits – Bausteine des Quantencomputers

Text: Benedikt Vogel

Ein Qubit kann ein Bit Information speichern – die kleinstmögliche digitale Informationsmenge. Es ist der elementare Baustein eines künftigen Quantencomputers. Qubits aus Halbleitermaterialien, wie sie in Basel erforscht werden, zählen zu den aussichtsreichsten Kandidaten.

Modell des Basler Qubits: In einem Quantenpunkt sind zwei einzelne Elektronen (rot) gefangen, deren Spinzustände (Pfeile) die Informationseinheiten (Qubits) bilden. Kontakte aus Gold erlauben, die Elektro-nen mit elektrischen Feldern in Schach zu halten. Die Struktur ist rund einen halben Mikrometer gross und in ein Halbleitermaterial eingebettet – hier aus Gallium- und Arsen-Atomen (grün/violett). Ein angrenzender Sensor dient der Messung der Spins.
Modell des Basler Qubits: In einem Quantenpunkt sind zwei einzelne Elektronen (rot) gefangen, deren Spinzustände (Pfeile) die Informationseinheiten (Qubits) bilden. Kontakte aus Gold erlauben, die Elektro-nen mit elektrischen Feldern in Schach zu halten. Die Struktur ist rund einen halben Mikrometer gross und in ein Halbleitermaterial eingebettet – hier aus Gallium- und Arsen-Atomen (grün/violett). Ein angrenzender Sensor dient der Messung der Spins.

Wie herkömmliche Computer verarbeiten und speichern auch Quantencomputer Informationen digital: Informationen werden in einem System kodiert, das nur aus zwei Zeichen (0 und 1) besteht. Diese Zeichen enthalten jeweils ein Bit Information, und diese lässt sich mit jedem technischen System speichern, das man ein- und ausschalten kann. In Computern wird ein Bit gespeichert in einem schaltbaren Stromkreis, der entweder eingeschaltet (ON = 1) oder ausgeschaltet (OFF = 0) ist. Computer zerlegen komplexe Informationen wie Zahlen und Texte in Bits und verarbeiten diese durch sehr viele, sehr schnelle Ein-Aus-Schaltvorgänge.

ON und OFF gleichzeitig

Auch ein zukünftiger Quantencomputer zerlegt komplexe Informationen in Bits. Er verwendet zu ihrer Verarbeitung und Speicherung aber nicht schaltbare Stromkreise, sondern ein quantenphysikalisches System, das die Zustände ON und OFF annehmen kann. Während der schaltbare Stromkreis entweder ON oder OFF ist, existieren im quantenphysikalischen System die Zustände ON und OFF gleichzeitig – auch wenn dies unserer Alltagserfahrung widerspricht. Für ein solches System, das sich durch die Überlagerung (Superposition) von zwei Zuständen auszeichnet, hat sich der Name Quantenbit (Qubit) eingebürgert.

Doch man darf sich von der schicken Bezeichnung nicht blenden lassen: Auch ein Qubit enthält für sich genommen nur ein Bit Information, genauso viel wie ein schaltbarer Stromkreis. Die speziellen Eigenschaften, die sich aus der Superposition ergeben, kann ein Qubit erst ausspielen, wenn es mit anderen Qubits in einer speziellen Art gekoppelt wird – nämlich mit der für die Quantenphysik charakteristischen Verschränkung. Erst wenn mehrere Qubits zu Gruppen (Quantenregistern) verschränkt werden, entstehen sehr leistungsfähige Systeme zur Informationsverarbeitung.

100 Millionen auf einem Quadratzentimeter

Die Herstellung von Qubits ist auf sehr unterschiedlichen Wegen denkbar. «In der Physik kennen wir viele Systeme, die zwei genau definierte Zustände haben und bei denen die Regeln der Quantenphysik gelten. In den letzten 20 Jahren sind denn auch unzählige Vorschläge gemacht worden, wie sich Qubits bauen lassen», sagt Daniel Loss, Physikprofessor an der Universität Basel, «die meisten sind allerdings wieder fallen gelassen worden». Denn physikalische Systeme, die als Qubits dienen sollen, müssen spezielle Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören neben den quantenphysikalischen Eigenschaften noch einige mehr: Die Qubits müssen klein genug sein, dass man idealerweise 100 Millionen davon auf einem Plättchen von einem Quadratzentimeter Fläche unterbringt; nur so lässt sich ein handlicher Computer bauen. Auch müssen sich Qubits schnell von ON auf OFF schalten lassen und umgekehrt – idealerweise eine Milliarde Mal pro Sekunde, wie bei elektrischen Schaltkreisen in modernen Computern üblich.

Diese Anforderungen zeigen: Ein taugliches Qubit zu konstruieren ist eine Herkulesaufgabe. Auch ein Vierteljahrhundert nach den ersten Versuchen sind Wissenschaftler noch längst nicht am Ziel. Allerdings haben sie seit den Neunzigerjahren beträchtliche Fortschritte erzielt. Möglich wurden sie unter anderem dank eines Konzepts, das Loss mit dem US-Amerikaner David DiVincenzo 1998 publizierte. Die beiden skizzierten darin einen konkreten Weg, wie sich Qubits realisieren und zum Bau eines Quantencomputers nutzen lassen.

Elektronenspin als Schaltelement

Die Veröffentlichung der beiden Physiker ist heute der meistzitierte wissenschaftliche Aufsatz über Quantencomputing. Er bildet die Grundlage für die Erforschung und den Bau von Qubits aus Halbleitermaterialien in Spitzenlabors von Universitäten und Industrieunternehmen weltweit. Eine führende Forschungsgruppe sind die Festkörper-Spezialisten um Loss. Ihre Grundidee: Sie wollen den Spin eines Elektrons als Qubit nutzen. Das ist eine kühne Idee – schliesslich ist ein Elektron extrem klein und sein Spin extrem schwach. Der Spin produziert wegen der Eigenrotation ein Magnetfeld, das «nach oben» oder «nach unten» zeigt, also exakt zwei Zustände hat. Zudem unterliegt der Elektronenspin den Gesetzen der Quantenphysik. Ideale Voraussetzungen also, dieses System als elementaren Baustein eines Quantencomputers zu nutzen.

Soll der Spin eines Elektrons als Qubit dienen, muss man seine Richtung jederzeit erstens zuverlässig bestimmen und zweitens umschalten können. Dies wollen die Wissenschaftler mit dem Konzept des Quantenpunkts erreichen. Ein Quantenpunkt ist – stark vereinfacht – ein (gedachtes) kugelförmiges Volumen von typischerweise einem Zehntausendstel Millimeter Durchmesser in einem Festkörper. In der Kugel ist ein freies (also nicht in einem Atom gebundenes) Elektron «eingesperrt». Der Festkörper ist schichtweise aus zwei Halbleitermaterialien (etwa Silizium und Germanium) aufgebaut und stark abgekühlt – nur ein Zehntel Kelvin über dem absoluten Nullpunkt. Das freie Elektron wird mit elektrischen Feldern in Schach gehalten. In dieser Anordnung lässt sich der Spin des Elektrons elektrisch schalten («nach oben»/«nach unten») – und damit zur Speicherung einer kleinsten Informationseinheit (0/1) verwenden.

Phänomenale Leistung

Vor 20 Jahren war die Realisierung eines Qubits in Form eines Quantenpunkts noch eine kühne Vision. Sie ist unterdessen in verschiedenen Materialsystemen und Anordnungen Realität geworden und wird auch von Firmen wie Intel vorangetrieben. Damit der in einem Quantenpunkt enthaltene Elektronenspin für die Datenverarbeitung eingesetzt werden kann, muss die Superposition der beiden Spin-Zustände («nach oben»/«nach unten») möglichst lange anhalten, und die Richtung des Spins muss sich sehr schnell umschalten lassen.

Forscher haben es geschafft, die Superposition während einer Millisekunde aufrechtzuerhalten und in dieser kurzen Zeit mittels elektrischer Felder eine Million Schaltvorgänge vorzunehmen. «Damit schalten Qubits mit einer Taktfrequenz im Gigahertz-Bereich, wie wir sie von modernen Computern kennen», sagt Loss: «Mit den Quantenpunken gelingt es uns auch, mehrere Qubits zu verschränken. Das ist die Voraussetzung, um künftig eine Vielzahl davon zu einem Rechner zu kombinieren, dessen phänomenale Leistungsfähigkeit daher rührt, dass er Rechenoperationen wegen der quantenphysikalischen Eigenschaften der Qubits parallel ausführen kann.»

Drei weitere Kandidaten

Neben Quantenpunkten aus Halbleitermaterialien werden heute drei weitere Konzepte für die Herstellung von Qubits diskutiert und erprobt: Firmen wie IBM und Google wollen Qubits aus supraleitenden Materialien fertigen, also aus Stoffen, die stark abgekühlt Strom widerstandslos leiten. Diese Qubits lassen sich relativ schnell schalten, sind aber – Stand heute – rund tausendmal grösser als Quantenpunkte aus Halbleitern.

Mehrere Forschungsgruppen wollen Qubits auf der Grundlage gefangener Ionen (etwa Kalziumionen) herstellen. Diese haben den Vorteil, dass sie nochmals hundertmal kleiner sind als Quantenpunkte. Sie lassen sich allerdings nur träge schalten und können nicht kompakt zu Qubit-Clustern verbaut werden. Dies, weil die Ionen sehr weit voneinander platziert werden müssen, damit sie sich nicht gegenseitig unkontrolliert beeinflussen. Eine vierte Gruppe sind topologische Qubits, eine Kombination aus dem Halbleiter- und dem Supraleiter-Ansatz. Das Konzept steht noch am Anfang, aber Microsoft steckt viel Geld in die entsprechende Forschung.


Weitere Artikel in der aktuellen Ausgabe von UNI NOVA.

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