Gefährliche Zellen im Winterschlaf.
Text: Andreas Lorenz-Meyer
Bei einigen Krebsarten wie etwa Brustkrebs wandern Zellen vom Ursprungstumor in anderes Gewebe und fallen dort in eine Art Winterschlaf. Ein trügerischer Zustand, da solche schlummernden Zellen der Krebstherapie entgehen, aber jederzeit aufwachen können und dann wieder zu wachsen beginnen.
Mohamed Bentires-Alj, der mit seinem Team am Departement Biomedizin unter anderem zur Metastasierung von Brustkrebs forscht, sucht nach Wegen, diese versteckten Krebszellen unschädlich zu machen. In einer Studie analysierten er und sein Team das Phänomen bei Mäusen. Bei den Tieren waren Brustkrebszellen in die Leber gewandert und dort in den Ruhezustand übergegangen. Die Untersuchungen ergaben, dass körpereigene Immunzellen dabei eine entscheidende Rolle spielen: Sie versetzen die Brustkrebszellen in den Winterschlaf, indem sie den Botenstoff Interferon-gamma ausschütten. Dieser stoppt den Zellzyklus der Tumorzellen, welche sich dann nicht mehr teilen.
Jedoch gibt es andere Zellen, die quasi als Gegenspieler fungieren, nämlich die sogenannten hepatischen Sternzellen. Sie können die Immunzellen lahmlegen, die über den Schlaf der Krebszellen wachen. Und dann passiert es: Die Schläferzellen beginnen sich wieder zu teilen, ein neuer Tumor wächst.
Hindernis für Langzeitheilung
Für Bentires-Alj sind die ruhenden Krebszellen eines der «Haupthindernisse für eine Langzeitheilung von Brustkrebspatientinnen». Er will die Mechanismen dahinter entschlüsseln: Momentan läuft ein Projekt, bei dem es um vorbeugende Lifestyle-Faktoren geht. «Diese sollen helfen, das Erwachen der Krebszellen zu verhindern – oder noch besser: sie endgültig zu eliminieren.» Bentires-Alj will auch klären, welche Therapien am wirksamsten sind. Momentan ist er noch mit der Frage der Projektfinanzierung beschäftigt.
Was die Sache jedoch verkompliziert: Brustkrebs streut nicht nur in die Leber, sondern auch in Knochen, Lunge und Gehirn. Dort könnten die beteiligten Zellen und damit die molekularen Mechanismen noch einmal andere sein – was weitere Forschungsfragen aufwirft.
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