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Alles Lüge! (01/2024)

Wie Versöhnung gelingt.

Text: Helena Zumsteg und Noëmi Kern

Fliegt eine Lüge auf, können Freundschaften daran zerbrechen. Sozialpsychologin Fanny Lalot erforscht, wie die Beziehung zwischen zwei Menschen danach weitergeht.

Mann hält einer Frau einen gigantischen Blumenstrauss hin
Entschuldigung. (Bild: Universität Basel, KI-generiert von Benjamin Meier)

Marie lädt zum Geburtstagsfest ein. Ihre Freundin Hanna sagt ab; sie habe eine Grippe. Einige Tage später erfährt Marie, dass Hanna an diesem Abend im Kino war. Lügen wie diese kommen in allen Lebensbereichen vor: in Familien, Liebesbeziehungen, Freundschaften und auch am Arbeitsplatz. Es gibt viele Gründe dafür. «Natürlich lügen manche Menschen aus böswillig oder weil es ihnen nur um eigene Interessen geht. Aber die meisten Menschen lügen, weil sie jemanden nicht verletzten oder ihn vor der möglicherweise schmerzvollen Wahrheit schützen wollen», sagt Fanny Lalot. Die Sozialpsychologin untersucht moralisches und soziales Verhalten, das oben genannte Beispiel stammt aus den Befragungen der Forscherin.

In unserer Gesellschaft sei es in bestimmten Situationen sogar höflich, zu lügen: Wir bringen den Kindern bei, Omas Suppe zu essen und den Geschmack zu loben, auch wenn sie ihnen nicht schmeckt. Wie ehrlich man ist, hänge auch vom Verhältnis zweier Menschen zueinander ab. «Wenn ich denke, dass die Wahrheit das Ende der Beziehung bedeuten würde, lüge ich eher, als wenn ich weiss, dass die andere Person offen für Kritik oder unangenehme Gespräche ist», erklärt Fanny Lalot.

Hätte Hanna den wahren Grund genannt, warum sie nicht an Maries Party kommt, hätte sie die Freundin vielleicht verletzt. Dieses Risiko wollte sie nicht eingehen. Ist die Lüge besser? «Die Absicht dahinter spielt schon eine Rolle. Aber das Gefühl der Person, die belogen wurde, ist subjektiv. Die Rechtfertigungen ihrer Freundin im Nachhinein sind für Marie kein Trost. Sie fühlt sich durch die Lüge verletzt und betrogen.»

Obwohl wir alle hin und wieder zu Notlügen greifen, gehen wir im Allgemeinen davon aus, dass andere die Wahrheit sagen. Merken wir, dass sie das nicht tun, erschüttert das unser Vertrauen. Fliegt ein Betrug auf, hängt es von beiden Parteien ab, wie der Kontakt weitergeht.

Lalot zählt vier Reaktionen auf, die Belogene zeigen: Konfrontation, Kontaktabbruch, Rache, Verzeihen. «Die Reaktionen schliessen sich nicht gegenseitig aus. Man kann eine Person zuerst konfrontieren und danach entscheiden, ob man verzeihen kann oder ob man den Kontakt abbrechen will.» Tendenziell enden noch junge Beziehungen häufiger, eine langjährige Freundschaft hingegen verbindet: Weil man die Beziehung nicht aufgeben möchte und bereits viel in sie investiert hat, ist man eher bereit, zu verzeihen.

Wer verzeihen kann, lebt gesünder

Ob jemand eine Lüge verzeiht oder nicht, hat laut Fanny Lalot viel mit der grundsätzlichen Lebenseinstellung und dem Charakter zu tun: «Es geht um das Grundvertrauen, das wir in andere haben oder eben nicht. Manche denken, dass Menschen sich ändern können und Fehler uns allen passieren. Andere sind der Meinung, dass nur schlechte Menschen lügen.»

Studien zeigen, dass Personen, die besser verzeihen können, psychisch gesünder sind als nachtragende. Auch die der Lüge überführte Person kann ihren Teil dazu beitragen, dass ein weiterer Kontakt möglich ist, indem sie zunächst Reue zeigt und Verantwortung für das eigene Handeln übernimmt. Der zweite Schritt ist die offene Bitte um Verzeihung. Als Letztes folgt ein Angebot zur Wiedergutmachung. «Damit bekommt die belogene Person die Kontrolle zurück», sagt die Psychologin. Schliesslich ist es an ihr, zu entscheiden, ob sie der anderen Person verzeihen kann und will oder nicht.

Marie hat Hanna zwar vergeben, der Kontakt ist aber nicht mehr so eng wie davor. Fanny Lalot gibt zu bedenken: «Es kann immer etwas zurückbleiben. Vertrauen zu verlieren ist einfacher, als es wiederherzustellen.»

PD Dr. Fanny Lalot ist Postdoc und Privatdozentin an der Fakultät für Psychologie. Die Sozialpsychologin forscht zu Moral und Sozialverhalten. Ihr aktueller Fokus gilt dem Vertrauen und den Folgen des Vertrauensmissbrauchs.


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