Feuer und Flamme für die Politik.
Text: Marion Maurer
Als Jugendlicher lernte An Lac Truong Dinh die Namen der Schweizer Parlamentsmitglieder auswendig. Heute ist der Alumnus politischer Berater von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.
Als Referent für Kultur-, Aussen- und Sicherheitspolitik gehört An Lac Truong Dinh zum Beraterstab der Vorsteherin des Eidgenössischen Departements des Innern. Wie kommt man zu seinem Job? Was muss man mitbringen?
Etwas betont Truong Dinh ganz besonders: «Begeisterung für das politische System und seine Institutionen – die politischen Prozesse in der Schweiz können sehr langwierig sein, man muss wirklich dafür brennen.»
Truong Dinhs politisches Interesse erwachte mit der Volksabstimmung über den Europäischen Wirtschaftsraum 1992 und der turbulenten Wahl von Ruth Dreifuss in den Bundesrat. Der damals Elfjährige entdeckt die SRF-«Arena», studiert das Parteiensystem und lernt die Namen aller Politikerinnen und Politiker. «Ich glaube, ich kannte sie damals besser als heute», sagt er lachend. Vor allem aber stellte er an sich selbst den Anspruch, etwas verändern und sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen zu wollen, besonders in den Bereichen Migration und internationale Zusammenarbeit.
Bildung als Integration.
Truong Dinh ist in Frankreich geboren, lebte später einige Jahre in den USA und wuchs schliesslich in Möhlin im Grossraum Basel auf. Seine Mutter ist Spanierin, der Vater Kriegsflüchtling aus Vietnam. «Mein Vater musste mehrfach emigrieren. Für ihn, aber auch für uns als Familie hat Bildung immer eine zentrale Rolle gespielt, sie ist wichtig für die Integration», erzählt Truong Dinh. «Ich bin in behüteten Verhältnissen aufgewachsen, aber die Erfahrungen meines Vaters haben auch mich geprägt.»
Mit dem Berufsziel Entwicklungszusammenarbeit studierte er in Basel Geschichte sowie Soziologie und fokussierte sich auf die Themen Migration, internationale Zusammenarbeit und Asien. Für seine Lizentiatsarbeit machte sich der Historiker auf die Spuren des Schweizer Matrosen Emil Selhofer, der sich 1944 der vietnamesischen Befreiungsbewegung Viet Minh angeschlossen hatte – und wurde dafür 2012 mit dem «Prix Média» der Akademie der Wissenschaft Schweiz für gelungene Wissensvermittlung ausgezeichnet.
Wissenschaftliche Arbeit als Türöffnerin.
«Vielleicht hat mir die Auszeichnung geholfen, Türen zu öffnen», vermutet der Alumnus. Welche Bedeutung die anschliessende Dissertation – ebenfalls in Basel – für seine Karriere hatte, sei schwer zu sagen. «Für mich war es auf jeden Fall eine wertvolle Erfahrung, die ich in diesem Rahmen nirgends sonst hätte machen können. Ich konnte mich über Jahre vertieft mit der Entwicklungszusammenarbeit zwischen Vietnam, der Schweiz und Bhutan auseinandersetzen. Mir war es wichtig, mich im Studium von meinen Interessen leiten zu lassen, ohne dabei die berufliche Perspektive aus den Augen zu verlieren.»
Nach seiner Promotion erhält Truong Dinh mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Wissenschaftliche Politikstipendien die Möglichkeit, die politischen Prozesse im Schweizer Parlament von Nahem zu begleiten, auch die hinter verschlossenen Türen stattfindenden Kommissionssitzungen.
Später wechselt der Alumnus die Perspektive und verantwortet beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI das Beantworten von politischen Vorstössen. «Dass ich sowohl die Sicht des Parlamentes kenne wie auch Stabserfahrung in einem Bundesamt mitbringe, war sicher ein entscheidender Vorteil bei meiner Bewerbung als Referent beim EDI.»
Wissenschaft als Entscheidungsgrundlage.
In dieser Funktion betreut der Alumnus das Bundesamt für Kultur, die Schweizerische Kulturstiftung Pro Helvetia und das Landesmuseum Zürich. Er begleitet die Departementsvorsteherin an Parlaments- und Kommissionssitzungen sowie an kulturelle Veranstaltungen. Er bereitet Informationen und Argumente für sie vor, prüft Reden im Parlament und Berichte.
Ausserdem ist Truong Dinh zuständig, die Innenministerin über Geschäfte des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA und des Eidgenössisches Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS zu beraten. «Ich muss oft unter Zeitdruck sehr komplexe Angelegenheiten erfassen und aus einer Vielzahl an Informationen eine politische Schlussfolgerung ziehen.
Aber im Geschichtsstudium lernt man sehr gut, wie man kritisch mit Quellen, insbesondere einer grossen Anzahl davon, umgeht.» Und der Alumnus betont: «Die Wissenschaft hat aus meiner Sicht die Aufgabe, der Politik die Grundlagen zu geben, damit diese faktenbasiert entscheiden kann. Für die Politik ist es deshalb wichtig, dass die Wissenschaft frei und unabhängig ist.»
Weitere Artikel dieser Ausgabe von UNI NOVA (November 2024).