Bernoulli Lecture: Die Psychologie der Verschwörungstheorien
Was wissen wir über Verschwörungstheorien aus psychologischer Sicht? Am 26. Oktober hält die Sozialpsychologin Karen Douglas die diesjährige Bernoulli Lecture for the Behavioral Sciences. Sie wird beleuchten, warum Menschen an solche Theorien glauben und welche Folgen sie haben. Uni News hat im Vorfeld mit ihr gesprochen.
24. Oktober 2022 | Anika Zielenski
Die Sozialpsychologin Karen Douglas erforscht an der University of Kent in ihrem ERC-geförderten Projekt «CONSPIRACY_FX – Consequences of conspiracy theories» Verschwörungstheorien. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Auswirkungen von Verschwörungstheorien auf Individuen und Gesellschaften, aber auch auf die Menschen, die sie verbreiten.
Professor Douglas was sind eigentlich Verschwörungstheorien?
Für die Sozialwissenschaften ist es nicht einfach, sich auf eine endgültige Definition zu einigen. Die meisten stimmen aber darin überein, dass es sich um eine Theorie über ein geplantes Komplott handelt, das von einer Gruppe von Menschen im Geheimen durchgeführt wird. Die Verschwörung muss von öffentlicher Bedeutung sein. Es handelt sich also um etwas, von dem die Öffentlichkeit wissen sollte, über das sie aber nicht unbedingt Kenntnis hat.
In Ihrer Forschung beschreiben Sie die Dynamik von Verschwörungstheorien mit dem «Rabbit Hole Syndrome». Was meinen Sie damit?
Es geht darum, dass Menschen ganz zufällig in Verschwörungstheorien hineingezogen werden können, und wenn sie sich erst einmal in diesem Labyrinth von alternativen Fakten befinden, ist es schwierig, einen Ausweg zu finden. Menschen, die sich stärker für eine Verschwörungstheorie interessieren, können anfangen, auch an andere zu glauben. Dieser Prozess ist nur schwer umkehrbar. Das heisst nicht, dass es keinen Ausweg gibt, aber es ist ziemlich schwierig, diesen zu finden.
Warum ist es so schwierig, aus diesem Labyrinth wieder herauszufinden?
Menschen glauben aus allen möglichen psychologischen Gründen an Verschwörungstheorien. Einer davon ist der soziale Aspekt. Es gibt die Theorie, dass sich Menschen Verschwörungsgruppen anschliessen, um ein Gefühl der Gemeinschaft und der Solidarität zu finden. Sie fühlen sich vielleicht erfüllt, wenn sie in eine Gemeinschaft von anderen Gläubigen eingebunden sind. Die Menschen können auch das Gefühl einer gemeinsamen Zielsetzung empfinden. Wenn sie diese soziale Zugehörigkeit in Verschwörungstheorien finden, dann wird es noch schwieriger, wieder auszusteigen.
Kann jeder in dieses «Rabbit Hole» hineingesogen werden?
Wenn die Umstände stimmen, ist jede und jeder dafür anfällig, an Verschwörungstheorien zu glauben. Menschen haben bestimmte psychologische Bedürfnisse. Wenn diese nicht erfüllt werden, können Verschwörungstheorien zunehmend attraktiv erscheinen. In Krisenzeiten zum Beispiel können Menschen anfangen zu hadern, weil bestimmte Bedürfnisse wie das Bedürfnis nach Wissen, Sicherheit oder Zugehörigkeit nicht erfüllt werden. Menschen sind dann anfälliger für Verschwörungstheorien, da sie nach einer Erklärung suchen, die ihnen hilft, eine schwierige Zeit zu bewältigen oder eine Ungereimtheit zu lösen. Die offiziellen Erklärungen scheinen den Menschen manchmal nicht zu genügen.
Ist das der Grund, dass die Zahl der Verschwörungstheorien während der Pandemie einen Höhepunkt erreicht hat?
In Zeiten von Krisen und Unruhen nehmen solche Überzeugungen in der Regel zu. Es ist also keine Überraschung, dass sie während der Pandemie stärker in den Vordergrund gerückt sind. Die Menschen sind besorgt, fühlen sich isoliert und haben Angst vor den Dingen, die da passieren. Verschwörungstheorien sind aber auch deutlich sichtbarer als je zuvor. Durch die sozialen Medien können sie sich noch besser verbreiten. Ob die Menschen ihnen tatsächlich mehr Glauben schenken, ist eine andere Frage.
Welche weiteren Fragen stellt sich die Forschung zu Verschwörungstheorien?
Da gibt es eine ganze Menge. Eine der wichtigsten Fragen lautet: Was können wir dagegen tun? Wie können wir Menschen davon abhalten, Verschwörungstheorien zu glauben, und wie können wir Menschen davon abhalten, nach ihnen zu handeln? Ich denke, wir müssen auch viel mehr über die Folgen wissen. Wir wissen zwar schon einiges mehr als früher, aber es ist wichtig, die Konsequenzen solcher Überzeugungen weiter zu erforschen.
Was ist denn aus Ihrer Sicht die auffallendste Folge von Verschwörungstheorien in unserer Gesellschaft?
Viele der Folgen sind ziemlich sichtbar. Die Anti-Impf-Bewegung ist ein sehr prominentes Beispiel. Wer beispielsweise glaubte, dass es das Virus gar nicht gibt, war während der Pandemie weniger geneigt, den Abstand einzuhalten, die Hände zu waschen oder sich impfen zu lassen. Viele Menschen sind zutiefst misstrauisch gegenüber Impfungen und besonders gegenüber ihren Inhaltsstoffen. Das sind eigentlich ziemlich alte Verschwörungstheorien. Seitdem Impfstoffe erfunden wurden, sind die Menschen ihnen gegenüber skeptisch. Aber mit den sozialen Medien und vielen Prominenten, die diese Anti-Impf-Verschwörungstheorien unterstützen, scheinen sie mehr denn je im Vordergrund zu stehen.
Wie können wir Menschen davon abhalten, an diese Theorien zu glauben? Ist es eine Frage der Bildung?
Ja, Bildung ist definitiv ein unterstützender Faktor. Viele Studien zeigen, dass Bildung ein Indikator für den Glauben an Verschwörungstheorien ist. Menschen mit einem niedrigeren Bildungsniveau neigen eher dazu, an sie zu glauben. Es geht aber nicht um die Intelligenz der Menschen, sondern um Faktoren wie analytisches und kritisches Denken. Also um die Werkzeuge, die einem die Bildung geben kann, um Verschwörungstheorien zu widerstehen. Wenn man also eine Person dazu ermutigt, analytisch über ein Problem nachzudenken, dann ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie in dieses «Rabbit Hole» fällt.
The Psychology of Conspiracy Theories by Prof. Dr. Karen Douglas. Mittwoch, 26. Oktober 2022, 18.15–19.45 Uhr, Bernoullianum, Grosser Hörsaal, Bernoullistrasse 30, Basel. Veranstaltungen als iCal übernehmen.
Bernoulli Lectures
Die Bernoulli Lecture for the Behavioral Sciences fördert den interdisziplinären Dialog in den Verhaltenswissenschaften. Die Vortragsreihe wird von Forschenden bestritten, die bedeutend zur Entwicklung dieses Bereichs beigetragen haben, insbesondere in der Psychologie und den Wirtschaftswissenschaften. Organisiert wird die Vortragsreihe von der Fakultät für Psychologie und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.