Unikarriere und Elternschaft: Wie der Balanceakt gelingt
Das über Jahre tradierte Ideal des Wissenschaftlers, der seinem Erfolg alles unterordnet, beeinflusst die heutige Vorstellung, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein sollen. Die Lebensrealität sieht jedoch anders aus. Viele wollen für ihre Familie da sein und trotzdem erfolgreich eine wissenschaftliche Karriere verfolgen. Diese Divergenz zwischen Anspruch und Erwartungen fordert vor allem Frauen heraus.
02. November 2020
Prof. Dr. Sandra Schlumpf-Thurnherr, Assistenzprofessorin für Iberoromanische und Allgemeine Sprachwissenschaft, wurde im vergangenen Juli Mutter von Andri. Schon zu Beginn der Schwangerschaft beschäftigte sie sich mit Fragen, die sich nach der Geburt stellen würden. «Ich war unsicher, wusste nicht recht, wie ich vorgehen soll», sagt die 35-Jährige. Vom Familienservice der Universität hatte sie bereits gehört. «Ich wollte meine Fragen mit einer neutralen Person klären und wendete mich deshalb an die Stelle.» Dort traf Sandra Schlumpf auf Patricia Zweifel, stellvertretende Leiterin der Fachstelle Diversity. Die Frauen kannten sich bereits vom Antelope-Programm.
«Sie konnte mich beruhigen und mir Mut machen, zur Schwangerschaft zu stehen», erinnert sich Sandra Schlumpf. Patricia Zweifel habe ihr zudem aufgezeigt, was ihr zusteht und wie das Ganze rechtlich aussieht. «Auch nahm sie mir die Angst, die geplante Auszeit bei meinen Vorgesetzen anzusprechen», sagt Sandra Schlumpf. Sie wusste: Als Assistenzprofessorin einer verhältnismässig kleinen Abteilung würde sie eine Stellvertretung brauchen, etwas, das für eine längere Zeitdauer nicht einfach zu finden ist. Mittlerweile weiss sie: Frühzeitige Planung ist alles und ihre vorgängigen Ängste waren unbegründet. «Meine Vorgesetzte und mein ganzes Team haben sehr positiv reagiert», sagt Sandra Schlumpf.
«Die Erfahrung zeigt, dass werdende Eltern ihre Familienplanung meist gut mit ihrer Karriere an der Universität Basel vereinbaren können», sagt Patricia Zweifel. Es sei jedoch sehr wichtig, dass alle involvierten Personen über die Rahmenbedingungen für werdende Eltern an der Universität informiert sind. So fühlen sich die Vorgesetzten wie auch die zukünftigen Mütter und Väter sicherer, können offen über ihre Erwartungen sprechen und gemeinsam eine gute Lösung finden. Dies sei insbesondere bei befristeten Anstellungen von Bedeutung, wie sie häufig in der wissenschaftlichen Qualifikationsphase vorkommen.
«In dieser Rush-Hour of Life, in welcher Familiengründung und berufliche Qualifikation zusammenfallen, verlieren wir an den Universitäten die Frauen», so Patricia Zweifel. «Die Arbeitsbelastung ist im beruflichen und im privaten Bereich hoch. Wenn diese über eine längere Zeit nicht vereinbar sind, zehrt das aus. Die Frauen suchen nach Anstellungsmöglichkeiten ausserhalb der Universität.» Die Fachstelle Diversity wirkt diesem Trend entgegen, indem sie den Wandel zu einer diversity-gerechten Wissenschaftskultur unterstützt. «Bezüglich Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann die Universität auch im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Unternehmen bestehen», ist Patricia Zweifel überzeugt.
In diesem Zusammenhang steht die Veröffentlichung der Broschüre Elternschaft – Informationen für Mitarbeitende und Vorgesetzte. Sie beantwortet Fragen, die sich werdende Mütter und Väter stellen könnten. Auch Partner und Partnerinnen von Schwangeren erhalten Informationen, genauso wie Paare, die ein Kind adoptieren. Vorgesetzte erfahren alles zum Thema Elternschaft und darüber, wie sie ein familienfreundliches Arbeitsumfeld gestalten können.
Ziel: Familienfreundlichkeit erhöhen
Trotzdem – manche Fragen stellen Betroffene lieber persönlich, wie Patricia Zweifel weiss. Sie hat die Broschüre entworfen, um die wichtigsten Punkte schriftlich abdecken zu können. «Natürlich bin ich aber nach wie vor Anlaufstelle, etwa für individuelle Situationen, die wir nicht mit allgemeinen Informationen beantworten können.» Auch Beratungen zu Rahmenbedingungen und Vorgehen wie bei Sandra Schlumpf gebe es oft.
Damit ist es aber nicht getan: «Wir möchten noch familienfreundlicher werden», sagt Patricia Zweifel. Zwar sei die Hochschule bereits jetzt in vielen Punkten fortschrittlich, etwa, was die Möglichkeit betreffe, an den Förderprogrammen get on track und stay on track für junge Eltern in der Qualifikationsphase teilzunehmen. Dennoch gäbe es beispielsweise bei der Infrastruktur Luft nach oben. «Wir verfügen bisher erst über einen Eltern-Kind-Raum, das ist angesichts der verschiedenen Standorte etwas wenig.»
Derzeit ist Zweifel dabei, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Die Hauptfrage: Wie familienfreundlich ist die Universität Basel? Müsste Sandra Schlumpf die Frage beantworten, würde sie sagen: «Die Universität Basel als Betrieb ist familienfreundlich, an den Bedingungen für eine Unikarriere müssen die Verantwortlichen aber noch arbeiten, denn in diesem Bereich gibt es noch einiges zu tun.» Im Januar wird sie wieder voll einsteigen. «Wir werden sehen, wie es dann läuft.» Die Betreuung von Andri ist jedenfalls bereits geplant.