Zwei Basler Physikerinnen erhalten EU-Fördergelder in Millionenhöhe
Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat den Professorinnen Jelena Klinovaja und llaria Zardo vom Departement Physik der Universität Basel je einen ERC Starting Grant zugesprochen. Damit erhalten die beiden Physikerinnen in den kommenden fünf Jahren bis zu 1,5 Millionen Euro für ihre ambitionierten Forschungsprojekte.
07. September 2017
Die Realisierung eines Quantencomputers setzt voraus, dass sich die in einem Quantenzustand kodierten Informationen – die Qubits – möglichst lange erhalten lassen. Die heutigen Qubit-Systeme sind jedoch anfällig für Fehler und ihre Lebensdauer ungenügend. Doch gibt es einen vielversprechenden Kandidaten im Rennen um langlebige Qubits: sogenannte topologische Qubits.
Ein besseres Verständnis der physikalischen Effekte, welche die Lebensdauer von Qubits einschränken, wird wichtige Fragen beantworten: Können topologische Qubits die Mängel von herkömmlichen Qubits überwinden? Und lassen sich die beiden Typen in Hybridstrukturen kombinieren, die eine verbesserte Leistung aufweisen?
Das theoretische Projekt von Jelena Klinovaja befasst sich mit topologischen Phasen in Systemen aus kondensierter Materie. Dies ist ein dynamisches Forschungsfeld, das in den vergangenen Jahren viel Aufsehen erregt hat, insbesondere aufgrund des Versprechens, dass topologische Quantenberechnungen gegenüber lokalen Fehlern tolerant sein könnten.
Der erste Nachweis von speziellen topologischen Zustände, so genannte Majorana-Fermionen, ist im Experiment gelungen. Allerdings sind diese Zustände nicht stark genug und lassen nicht alle grundlegenden universellen Operationen zu, die für einen Quantencomputer benötigt werden. In ihrem ERC-Projekt will Klinovaja einen entscheidenden Schritt weitergehen und weitere exotische Zustände studieren, die nur in stark interagierenden Systemen auftreten und die für eine universelle Quanteninformationsverarbeitung ausreichen werden. Der ERC fördert diese Vorhaben mit rund 1,2 Millionen Euro.
Jelena Klinovaja ist seit 2014 Assistenzprofessorin für Physik an der Universität Basel. Sie studierte Physik am Moskauer Institut für Physik und Technologie. 2009 wechselte sie ans Departement Physik der Universität Basel, wo sie 2012 promoviert wurde; ihre Doktorarbeit wurde mit einem Award der Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft ausgezeichnet. 2013 erhielt sie ein dreijähriges Stipendium an der Universität Harvard in Cambridge (USA) und arbeitete dort am Departement Physik, bevor sie ihre Position in Basel antrat.
Kontrolle des Wärmetransports in Nanomaterialien
Phononen sind Schwingungen in Kristallen, die für die Übertragung von Schall und Hitze verantwortlich sind. Die Phononik ist ein noch junges Forschungsgebiet, und die Kontrolle von Phononen stellt ein herausforderndes Ziel dar. Wenn sich Phononen gezielt manipulieren lassen, könnte man so Wärme oder Schall präzise in eine beliebige Richtung steuern – ähnlich wie Licht. Diesem Ziel möchte Prof. Dr. llaria Zardo im Rahmen ihres Projekts einen Schritt näher kommen, für das der ERC 1,5 Millionen Euro bewilligt hat.
Die Physikerin plant die Entwicklung von winzigen thermischen Schaltkreisen, die über geeignete Schnittstellen verfügen. Mithilfe dieser Nanostrukturen möchte sie den Fluss von Phononen auslösen, untersuchen und manipulieren. Zardos Vorhaben verspricht ein tieferes Verständnis der Quantenphysik und wird sowohl für die Grundlagenforschung als auch für Anwendungen zur Steuerung des Wärmetransports von grosser Bedeutung sein.
Zudem wollen llaria Zardo und ihr Team die Frage beantworten, ob das Gebiet der Phononik die Elektronik ergänzen kann. Da Phononen mit Elektronen und Photonen wechselwirken, können Fortschritte bei der Beeinflussung von Phononen auch dazu beitragen, die Leistungen von elektronischen und optoelektronischen Geräten zu verbessern.
llaria Zardo ist seit 2015 Assistenzprofessorin für Experimental Material Physics an der Universität Basel. Sie studierte Physik an der Universität La Sapienza und wurde 2010 an der TU München promoviert. Im Jahr 2015 erhielt sie den Hertha-Sponer-Preis, mit dem die Deutsche Physikalische Gesellschaft Nachwuchswissenschaftlerinnen für ihre hervorragende wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Physik auszeichnet.
ERC Starting Grants
Die Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) zählen zu den renommiertesten Förderbeiträgen für Nachwuchsforschende in Europa. Mit ihnen zeichnet der ERC innovative Grundlagenforschung aus und fördert die unabhängige Arbeit exzellenter Nachwuchsforschender. Ziel des Grants sind der Aufbau und die Konsolidierung einer eigenen unabhängigen Forschungsgruppe. Die ERC Starting Grants sind Teil des europäischen Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020.
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Edwin C. Constable, Vizerektor Forschung, Universität Basel, Tel. +41 61 207 10 01, E-Mail: edwin.constable@unibas.ch