Eine neue Art von Quantenbits
Im Quantencomputer sollen Quantenzustände die kleinsten Informationseinheiten bilden und den binären Code ablösen, mit dem heutige Computer rechnen. Bisher wurden diese sogenannten Qubits meist mithilfe einzelner Elektronen realisiert, die sich aber anfällig für Störungen zeigten. Einem internationalen Forscherteam um Physiker der Universität Basel ist es nun gelungen, ein fehlendes Elektron für Qubits zu nutzen. Dies berichten sie in der Zeitschrift «Nature Materials».
26. Juli 2016
In den Computern der Zukunft sollen Informationen in Form von Quantenbits, kurz Qubits, gespeichert werden. Diese beruhen auf den Prinzipien der Quantenphysik und können neben den binären Zuständen von null und eins weitere Zustände annehmen, was völlig neue Möglichkeiten eröffnet.
Bei Ansätzen, die mit herkömmlichen Halbleitermaterialen arbeiten, haben die Wissenschaftler Qubits meist in Form von einzelnen Elektronen realisiert. Das führte jedoch zu Störeffekten, und die Informationsträger liessen sich nur schwer programmieren und auslesen. Dieses Problem haben nun Forscher der Universitäten Basel, Bochum und Lyon umgangen, indem sie Löcher statt Elektronen als Qubits nutzten.
Elektronen als Qubits
Um Qubits in Form von Elektronen umzusetzen, setzt man ein Elektron in einem umgrenzten Bereich eines Halbleiters fest, in einem sogenannten Quantenpunkt. Der Spin, also der Eigendrehimpuls, macht das Elektron zu einem kleinen Dauermagneten. Forscher können den Spin über ein äusseres Magnetfeld beeinflussen und in Kreiselbewegungen versetzen. Mit der Richtung dieser Bewegung können sie Informationen codieren.
Das Problem: Die Kernspins der umliegenden Atome erzeugen ebenfalls Magnetfelder, die das äussere Magnetfeld in zufälliger, unvorhersehbarer Weise verzerren. Das stört das Programmieren und Auslesen der Qubits. Also suchte das Team nach einer anderen Methode. Ihre Lösung: Statt ein einzelnes Elektron im Quantenpunkt einzusperren, entfernten die Forscher um Prof. Richard Warburton vom Departement Physik der Universität Basel gezielt ein Elektron. Dadurch entsteht eine positiv geladene Fehlstelle in der Elektronenmenge, ein sogenanntes Loch.
Vorteile von Elektronenlöchern
Ein Loch besitzt ebenfalls einen Spin, den die Forscher über Magnetfelder manipulieren können, um Informationen zu codieren. Da ein Loch positiv geladen ist, geht es den ebenfalls positiv geladenen Kernen der umgebenden Atome aus dem Weg. Somit sind die Löcher quasi immun gegen die störenden Einflüsse der Kernspins.
Bei ihren Experimenten konnten die Basler Physiker auf neuartige Halbleiterchips von Forschern der Ruhr-Universität Bochum zurückgreifen. Diese sind in der Lage, Quantenpunkte nicht nur mit einzelnen Elektronen, sondern auch mit Elektronenlöchern zu versehen.
«Inspiriert von den theoretischen Arbeiten der Gruppe um Prof. Daniel Loss hier in Basel versuchen wir seit Jahren, diese Konzepte umzusetzen. Allerdings haben wir festgestellt, dass sich herkömmliche Halbleiterchips nicht für Lochspin-Experimente eignen. Mit den Chips unserer Partner in Bochum konnten wir endlich dieses Experiment durchführen. Die Ergebnisse sind besser, als ich je erwartet hätte – das Loch spürt die Kernspins fast gar nicht!», sagt Prof. Richard Warburton.
Das Projekt wurde unter anderem gefördert vom Nationalen Forschungsschwerpunkt Quantum Science and Technology (NCCR QSIT), vom Schweizerischen Nationalfonds und von der Europäischen Union im FP7-Programm.
Originalbeitrag
Jonathan H. Prechtel, Andreas V. Kuhlmann, Julien Houel, Arne Ludwig, Sascha R. Valentin, Andreas D. Wieck, Richard J. Warburton
Decoupling a hole spin qubit from the nuclear spins
Nature Materials (2016), doi: 10.1038/nmat4704
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Richard Warburton, Universität Basel, Departement Physik, Tel. +41 61 267 37 68, E-Mail: richard.warburton@unibas.ch