Neue Web-App für den digitalen Schulunterricht
Ob Filmausschnitt, Musikvideo oder Werbespot: Das Programm «Travis GO» erleichtert das Analysieren von audiovisuellen Medienprodukten. Ein Projekt der Bildungswissenschaften an der Universität Basel fördert die didaktische Nutzung von «Travis GO» im Schulunterricht.
14. Juni 2021
Sekundarschule Fröschmatt in Pratteln. Zu zweit sitzen die Schülerinnen und Schüler an einem Laptop und diskutieren eifrig. Es ist die erste Lektion an einem Freitagmorgen, von Müdigkeit aber keine Spur. Die Jugendlichen besprechen angeregt verschiedene Videos, die sie in Kleingruppen für den Deutschunterricht gedreht haben. Was war gut, was kann man noch verbessern? Mal ist die Musik unpassend, ein anderes Mal entdecken sie inhaltliche Unstimmigkeiten. Mit dem Programm Travis GO können sie Bild und Ton framegenau analysieren.
Diese Web-Applikation ist frei zugänglich, entwickelt haben sie Forschende der Medienwissenschaften an der Universität Basel. Travis GO ermöglicht es, Videos in einem Player zu sichten und in einem Arbeitsfenster kollaborativ oder individuell zu analysieren. Nutzerinnen und Nutzer können zum Beispiel Bild-, Ton- und Textspuren von Videos kommentieren, weiteres Material verlinken oder mittels Hashtags Beiträge ordnen und vergleichen.
Von der Universität in die Klassenzimmer
Das Vorläuferprogramm von Travis GO heisst «travis-analysis» und wird in medienwissenschaftlichen Seminaren eingesetzt. «Die kritische Auseinandersetzung mit Videos ist aber auch in den Schulen ein wichtiges Thema», erklärt Dr. Elke Schlote, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Basel.
Gemeinsam mit der Direktorin des Instituts, Prof. Dr. Elena Makarova, sowie weiteren Forschenden lancierte sie deshalb das vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Projekt Travis GOes School. Das Ziel: Travis GO soll in den Klassenzimmern Fuss fassen. «Die Digitalisierung hat spätestens mit dem Lehrplan 21 auch in den Schulen Einzug gehalten. Didaktische Tools zur Analyse von Medien sind jedoch noch Mangelware – Travis GO schliesst diese Lücke», sagt Elena Makarova.
Dialog mit den Lehrpersonen
Als Elke Schlote die Web-App erstmals in einer Lehrpersonen-Fortbildung vorstellte, wurde ihr schnell klar, dass da zwei Welten aufeinanderprallten: «Da kamen wir von der Forschung mit unseren Ideen, was mit Travis GO so alles analysiert werden könnte. Für die Lehrpersonen war hingegen viel wichtiger, wie sie es in ihren Lektionen konkret einsetzen können.» Die Pratteler Schülerinnen und Schüler beispielsweise befassen sich im Deutschunterricht mit dem Thema Journalismus. Begleitend zum Thema produzieren und analysieren sie eigene Videobeiträge für die Social-Meda Plattform TikTok.
Sollte das Projekt erfolgreich sein, musste die Web-App im Dialog mit den Lehrpersonen weiterentwickelt und mit passenden Unterrichtsmaterialien ergänzt werden. Travis GO muss nicht nur technischen, sondern auch fachdidaktischen Ansprüchen gerecht werden», erklärt die Bildungswissenschaftlerin. Gemeinsam mit Lehrpersonen aus der Region Basel testet sie die Web-App in den Klassen und erarbeitet gleichzeitig Unterrichtseinheiten. «Diese haben wir auf der Travis GO-Homepage in verschiedenen Sprachen publiziert, damit sie von Lehrpersonen schweizweit verwendet werden können.»
Ein Programm mit Zukunft
Den Pratteler Schülerinnen und Schülern scheint die Arbeit mit Travis GO einfach von der Hand zu gehen. Mühelos navigieren sie zwischen den verschiedenen Fenstern und kommentieren die Videos. «Die Jugendlichen kennen dies von den Sozialen Medien», erklärt ihre Klassenlehrerin Susanne Grubenmann. «Ich musste mich zuerst an die Bedienung gewöhnen. Da war ich froh, dass Elke Schlote mir auch bei technischen Fragen zur Seite stand.» Die Sekundarlehrerin sieht im Programm grosses Potenzial: «Ich bin davon überzeugt, dass Medien und ihre Analyse ein fester Bestandteil vom Schulunterricht sein werden.»