Weiterer Schritt im Verständnis von Mikrozephalie
Fehler in der Bildung von Nervenzellen können zu neuronalen Entwicklungsstörungen wie beispielsweise Mikrozephalie, Kleinwuchs des Gehirns, führen. Das Team von Prof. Clemens Cabernard vom Biozentrum der Universität Basel hat nun ein Protein untersucht, das an der Entstehung der Mikrozephalie beteiligt ist. Wie die Forscher im Fachjournal «Cell Reports» berichten, spielt dieses Protein bei der Teilung von Nervenstammzellen eine wichtige Rolle und übernimmt dabei zwei sehr unterschiedliche Aufgaben.
28. Januar 2016
Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 200 Milliarden Nervenzellen. Der Ursprung dieser Zellen sind nur wenige neuronalen Stammzellen. Sie sind der Schlüssel für eine gesunde Gehirnentwicklung. Störungen in der Teilung der Stammzellen, verursacht durch genetische Defekte, können zu Fehlbildungen wie zum Beispiel Mikrozephalie führen. Dieses Krankheitsbild ist durch eine verringertes Gehirnvolumen und einer damit einhergehenden geistigen Behinderung gekennzeichnet.
Bislang sind zwölf Gene und ihre Proteine bekannt, die mit der Entstehung von Mikrozephalie zusammenhängen. Die Forscher um Prof. Clemens Cabernard vom Biozentrum der Universität Basel haben nun in neuronalen Stammzellen der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, den sogenannten Neuroblasten, eines dieser Proteine mit dem Kürzel Wdr62 genauer untersucht. Wie sich herausstellte, spielt Wdr62 eine wichtige Rolle bei der asymmetrischen Zellteilung sowie der Gehirnentwicklung.
Neuronale Stammzellen teilen sich asymmetrisch
Die Neuroblasten besitzen wie alle Stammzellen die aussergewöhnliche Fähigkeit, sich asymmetrisch zu teilen. Dadurch entstehen zwei Tochterzellen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Eine behält den Stammzellcharakter bei, aus der anderen wird eine Vorläuferzelle, aus der sich Nervenzellen entwickeln. Ob sich eine Stammzelle asymmetrisch teilt, wird durch die Positionierung der beiden unterschiedlichen Zentrosomen bestimmt. Diese zwei Pole sind mit der Teilungsspindel, die aus Mikrotubuli besteht, verankert und legen mit dessen Ausrichtung die Teilungsachse fest.
Protein Wdr62 wichtig für Asymmetrie von Zentrosomen
Wie das Team von Cabernard nun berichtet, stabilisiert das Protein Wdr62 die Mikrotubuli und hilft damit bei der Ausbildung asymmetrischer Zentrosomen. „Die Bedeutung von Wdr62 zeigt sich klar bei Drosophila-Neuroblasten denen dieses Protein fehlt“, sagt Cabernard. „Dadurch entstehen defekte Zentrosomen, die sich fehlerhaft positionieren und auftrennen. Infolgedessen kann sich der Spindelapparat nicht richtig ausrichten.“
Geringe Hirngrösse bei fehlendem Wdr62
Eine zweite, davon unabhängige Funktion, wirkt sich direkt auf die Hirnentwicklung aus. Drosophila-Fliegen, denen Wdr62 fehlt, weisen ein um 40 Prozent verringertes Hirnvolumen auf. Dies lässt sich auf einen gestörten Zellteilungszyklus zurückführen, der die Teilung von neuronalen Stammzellen verlangsamt. Es entstehen daher weniger ausgereifte Nervenzellen und demzufolge ein kleineres Gehirn.
Neue Einblicke dank extrem hoch auflösender Mikroskopie
Obwohl die Wissenschaftler in ihrer Studie keinen kausalen Zusammenhang zwischen der durch Wdr62 gesteuerten Zentrosomen-Asymmetrie und der Mikrozephalie finden konnten, zeigen sie ganz klar, dass dieses Protein die Bildung von Nervenzellen auf zwei grundsätzlich verschiedenen Wegen steuert. „Nur Dank neuester superauflösender Mikroskopiertechniken konnten wir ins Innere der Nervenzellen schauen und den Aufbau der Zentrosomen sowie die Verteilung der verschiedenen Proteine genau erkennen“, erklärt Cabernard. „Mithilfe dieser Techniken können wir zukünftig den Ablauf der asymmetrischen Zellteilung an lebenden Neuroblasten mit sehr hoher Auflösung im Detail mitverfolgen.“
Originalartikel
Anjana Ramdas Nair, Priyanka Singh, David Salvador Garcia, David Rodriguez-Crespo, Boris Egger and Clemens Cabernard.
The microcephaly-associated protein Wdr62/CG7337 is required to maintain centrosome asymmetry in Drosophila neuroblasts.
Cell Reports; published online 21 January 2016. | doi: 10.1016/j.celrep.2015.12.097
Weiter Auskünfte
Prof. Clemens Cabernard, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 267 21 88, E-Mail: clemens.cabernard@unibas.ch