Den Stress bewältigen
Text: Martin Hicklin
Depressionen, Stress und Burnout gehen oft mit schlechtem Schlaf einher. Die Auswertung der Hirnströme und hormonelle Tests sollen dazu beitragen, die Therapien zu verbessern.
Als Oberarzt am Zentrum für Affektive, Stress- und Schlafstörungen (ZASS) in Basel behandelt Dr. Johannes Beck Patientinnen und Patienten mit Leiden wie Depression und beruflichem Burnout. Schlaf spielt als Zeiger und Hebel der Therapie eine wichtige Rolle. «Schlafstörungen gehören zu den häufigsten Symptomen depressiver Störungen. Häufig geht schlechter Schlaf einer depressiven Episode voraus, und nicht selten dauern Schlafstörungen über das Abklingen der depressiven Verstimmung hinaus an», schildert der Psychiater die Ausgangslage. Die meisten depressiv Erkrankten berichten über verzögertes abendliches Einschlafen, Durchschlafschwierigkeiten und morgendliches Früherwachen. Im Rahmen von atypischen Depressionen kann allerdings auch vermehrtes Schlafbedürfnis vorkommen.
«Depression ist nicht gleich Depression»
Die «Störung», so ähnlich sie sich in ihren Symptomen äussern mag, hat unterschiedliche biologische Ursachen und Verläufe: «Depression ist nicht gleich Depression», sagt Beck. «Unser Anliegen ist es, für jeden Patienten eine gezielte Therapie anzubieten, deren Verlauf kontrolliert und, wo nötig, möglichst früh geändert und angepasst werden soll, falls sie nicht anspricht.» Die Leidenszeit zu verkürzen und die Lebensqualität rascher wiederherzustellen, sind die Ziele. Forschungsergebnisse zeigen, dass die im Schlaf aufgezeichneten Hirnwellen (Schlaf-EEG) wertvolle Marker für Verlauf, Ansprechen auf Therapie und auch das Ausmass der Rückfallgefahr bei depressiven Patienten liefern können.
Eine weitere Strategie richtet ihren Blick auf die sogenannte Stressachse. Dieses hormonal gesteuerte System ist als Resultat der Evolution im Grunde «eine gute Sache», so Beck: In einer bedrängten Situation wird Cortisol aus der Nebennierenrinde freigesetzt, was eine erhöhte Reaktionsbereitschaft bewirkt – «Kampf oder Flucht». Zucker wird bereitgestellt, energieverbrauchende Prozesse wie Entzündungen werden zurückgefahren und auf später verschoben – purer Stress. Ideal für eine lebensbedrohliche Situation, als man einst einem Säbelzahntiger begegnete. Schädlich, wenn der Stress wegen Terminstau und Arbeitsanfall chronisch wird und das Alarmsystem dauernd eingeschaltet bleibt. Die Folgen sind Konzentrationsschwäche, Ängstlichkeit und schlechter Schlaf bis zu Depression und körperlichen Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck – ein Teufelskreis.
Verläufe zu messen und Schlüsse für die Therapie zu ziehen, ist ein primäres Ziel. Cortisol ist bei Depression erhöht, die Schlaf-EEGs zeigen typisch veränderte Häufigkeiten der Augenbewegungen in den sogenannten REM-Phasen. Mit dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie forscht man im Schlaf-EEG nach typischen Anzeichen. Aufwendige hormonelle Tests erlauben zudem früh, Prognosen über Therapieaussichten zu stellen.
Studierende als Fitnessberater
Aufregend findet Beck die Belege, dass es eine einfache Behandlung gibt, deren positive Wirkung auch auf Stress sich klar nachweisen lässt: der Sport, der Stress abbaut. Nach regelmässigem Ausdauertraining wird die Stimmung besser, das Gehirn erholt sich und der Schlaf wird tiefer. Es muss nicht gerade ein Marathon sein. Dreimal die Woche eine halbe Stunde Training zeigt deutliche Wirkung. Begeistert berichtet Beck davon, wie zwölf Wochen Ausdauersport auch heilsam auf die kognitiven Defizite wirkt, die nach einem Burnout oder einer Depression auch dann noch messbar vorhanden sind, wenn die Erschöpfung vorbei und die Stimmung wieder gut ist.
Jetzt wird in Zusammenarbeit mit dem Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel untersucht, ob man Ausdauersport nicht auch schon früh gegen Depressionen einsetzen sollte, um über Stressminderung Symptome, Verlauf und Schlaf zu bessern. Sportstudierende wirken als Fitnessberater, und gespannt darf man auf die Resultate warten. Wem das Warten aber zu stressig wird, kann man schon einmal mit Selbstversuchen beginnen.
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