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Dossier Migration – Menschen unterwegs (02/2016)

CRISPR/Cas9: Chance oder Risiko, Rolf Zeller?

Text: Rolf Zeller

Die vor wenigen Jahren entdeckte Methode CRISPR/Cas9 verspricht neue Möglichkeiten, das Erbgut von Lebewesen zu verändern. Die einen setzen auf ihre Chancen, andere sehen vor allem die Risiken dieser effizienten Technologie.

Prof. Rolf Zeller. (Illustration: Studio Nippoldt)
Rolf Zeller ist Professor für Anatomie und Embryologie am Departement Biomedizin der Universität Basel. Der Entwicklungsbiologe erforscht vor allem die Signal-Wechselwirkungen und Gennetzwerke, welche die Organentstehung in Wirbeltieren steuern.

Die CRISPR/Cas9-Technologie erlaubt es, das Erbgut von Pflanzen und Tieren, inklusive Mensch, einfach und mit höchster Präzision zu verändern, ohne dass Spuren im Genom zurückbleiben. Entdeckt wurde dieses System in Bakterien, die damit die DNA von eindringenden Viren zerschneiden. Beim Studium dieses Abwehrmechanismus realisierten die Forschenden um Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, dass die Methode universell einsetzbar ist, um DNA-Stränge an genau definierten Stellen zu schneiden.

Der CRISPR/ Cas9-Komplex besteht aus der sogenannten «Guide»-RNA, welche die Schnittstelle definiert, und dem Cas9-Enzym, welches die DNA schneidet. Zudem macht man sich zunutze, dass eukaryotische Zellen (Pilze, Pflanzen und Tiere) zerschnittene DNA-Stränge schnell reparieren. Zur gezielten Veränderung eines Gens schleust man zusätzlich zur CRISPR/Cas9-Schere ein synthetisches DNA-Stück in die Zellen, das mit der Schnittstelle überlappt und die gewünschte genetische Veränderung kodiert. Diese Sequenz dient als Vorlage zur DNA-Reparatur und führt zum Einbau der gewünschten Veränderung ins Genom, dem sogenannten «Genome Editing».

Ein Vorteil des CRISPR/Cas9-Systems gegenüber klassischen transgenen Methoden ist, dass keine artfremde DNA ins Genom eingebaut wird. Daher haben die Behörden in den USA entschieden, dass ein Zuchtpilz, dessen Genom mit CRISPR/Cas9 editiert wurde, nicht als genetisch verändert gekennzeichnet werden muss. Die Pflanzenbiologie benützt die CRISPR/Cas9-Technologie, um Kulturpflanzen viel gezielter als durch klassische Kreuzungszüchtungen zu verändern. Da viele Kulturpflanzen im Zug der Ertragsoptimierung ihre natürlichen Resistenzgene verloren haben und nicht mehr auf kargen Böden wachsen, ist es ein Ziel, defekte oder fehlende Gene zu reparieren oder zu ersetzen.

Auch in den Lebenswissenschaften ist CRISPR/Cas9 in kürzester Zeit zur bevorzugten Methode für genetische Studien geworden. Zell- und tierbasierte Modelle zur Analyse grundlegender Prozesse und Krankheiten können nun viel schneller und in einer nie da gewesenen Vielfalt von Arten generiert werden.

Man erwartet auch, dass CRISPR/Cas9 der Gentherapie endlich den ersehnten Durchbruch verschafft. Die aussichtsreichste Strategie basiert darauf, aus Patienten körpereigene (Stamm-) Zellen zu isolieren und ihre Gendefekte durch «Genome Editing» zu korrigieren. Da reparierte Zellen erst nach molekularer Prüfung in Patienten zurücktransplantiert werden, hofft man, das Risiko für unerwünschte Nebeneffekte so gering wie möglich zu halten. Diese Strategie wurde in Tiermodellen bereits für verschiedene zum Teil tödliche genetische Krankheiten erfolgreich getestet. Klinische Studien dazu sollten in naher Zukunft beginnen. 2015 wurde eine erste Studie von Keimbahnveränderungen in nicht lebensfähigen menschlichen Embryonen publiziert. Sie zeigte, dass CRISPR/Cas9 für Keimbahnmanipulation zu ineffizient ist und zu potenziell gefährlichen Nebeneffekten führen kann, nämlich dann, wenn die CRISPR/Cas9-Scheren die DNA an unerwünschten Stellen schneiden. Da diese seltenen Effekte etwa zur Aktivierung von Krebsgenen führen könnten, wird mit Hochdruck daran gearbeitet, sie durch verbesserte Enzyme zu minimieren.

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