Makuladegeneration: Keine Heilung in Sicht.
Text: Samanta Siegfried
Es ist die häufigste Ursache für eine Sehbehinderung im Alter: die altersbedingte Makuladegeneration. Bis heute ist die Mehrheit der Fälle nicht therapierbar. Warum diese Erkrankung so komplex ist, wird am Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie in Basel erforscht.
Den Grossteil ihres Lebens müssen sich die Menschen kaum Sorgen um eine altersbedingte Makuladegeneration – abgekürzt AMD – machen. Nur drei Prozent der Bevölkerung kurz vor dem Pensionsalter sind davon betroffen, ab dem 75. Lebensjahr ist es jedoch bereits jede dritte Person. Die Erkrankung gilt somit als die häufigste Ursache für eine Sehbehinderung im Alter. Und je älter die Bevölkerung wird, desto häufiger kommt sie vor. Obwohl sich schon zahlreiche Forschende mit dieser Augenerkrankung beschäftigt haben, gibt es bis heute keine Therapiemöglichkeit.
Wie kann das sein? Prof. Dr. Christian Prünte, klinischer Leiter der Augenklinik Basel, erklärt es so: «Die Ursachen, an einer AMD zu erkranken, sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Es lässt sich bisher kein zentraler Faktor definieren, sondern eher verschiedene Risikofaktoren. Das erschwert die Prognose stark.» Zu den bisher bekannten Risikofaktoren gehören etwa das Rauchen, ungesunde Essgewohnheiten und Lichtexposition. Ausserdem können verschiedene genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, heisst es in der Forschung.
Wenn sich Kacheln krümmen
Wie der Name sagt, greift die Krankheit die Makula an, jenen Bereich ganz hinten im Auge, der auch als gelber Fleck bekannt und für das scharfe und erkennende Sehen verantwortlich ist. Alles, was wir direkt ansehen, wird dort abgebildet. Von der Krankheit Betroffene bemerken die Auswirkungen meistens erst relativ spät. Das hat damit zu tun, dass oft zuerst nur ein Auge betroffen ist und das zweite den Sehverlust ausgleicht. Wenn die Krankheit auf das zweite Auge übergeht, klagen die Betroffenen häufig erst über einen Sehverlust. «Die meisten merken es beim Lesen oder daran, dass sie Personen aus Distanz nur verschwommen wahrnehmen», erklärt Prünte.
Gehe die AMD in einem späteren Stadium allerdings in eine feuchte Form über, zeigen sich andere Auswirkungen: «Die Betroffenen können dann oft keine geraden Linien mehr wahrnehmen. So beginnen sich für sie etwa Türrahmen oder Kacheln im Bad zu krümmen.» Bei der feuchten Form schwillt die Makula an und verformt sich, was zur verzerrten Wahrnehmung und im schlimmsten Fall zur Erblindung führen kann. Anders als die trockene Form betrifft sie jedoch nur etwa zehn Prozent aller AMDPatienten. Und vor allem: Sie ist behandelbar. Spritzt man alle paar Wochen ein Medikament direkt ins Auge, lässt sich der Sehverlust verlangsamen und teilweise sogar verbessern.
Verursachender Gendefekt unbekannt
Die trockene AMD hingegen führt zwar nicht zu einer kompletten Erblindung, trotzdem kann der Sehverlust erheblich sein und zu grossen Einschränkungen führen. Bis heute stellt sie Ärzte und Ärztinnen wie Forschende vor einige Herausforderungen. Zwar gab es vielversprechende Ansätze, die in ersten Studien gut abgeschnitten haben. «Aber in den endgültigen Zulassungsstudien haben sie keine ausreichende Wirkung gezeigt», sagt Prünte.
Am Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie in Basel (IOB) werden laufend neue Medikamente getestet. Dabei diskutieren die Forschenden auch Ansätze einer Gentherapie. Das Prinzip: Man schleust die korrigierte DNA mittels viralen Vektoren in die Zelle ein, in welcher das defekte Gen beheimatet ist, damit sie es ersetzen kann.
Vielversprechende Forschungen über eine Gentherapie gibt es derzeit bei einer anderen Augenerkrankung, der Stargardt-Krankheit. Für die AMD gestaltet sich das Prozedere allerdings komplexer: «Das Hauptproblem ist: Man hat noch bei keinem Patienten einen alleinigen Gendefekt identifiziert, der die Erkrankung auslöst», sagt Prünte. «Es spielen immer verschiedene genetische Faktoren mit – und solange man das verantwortliche Gen nicht kennt, kann man es auch nicht ersetzen.»
Ultraschall mit Licht
Mit der altersbedingten Makuladegeneration beschäftigt sich auch Dr. Ghislaine Traber, Oberärztin an der Augenklinik und hier wie Prünte für die klinische Forschung zuständig. Derzeit ist sie an einer Beobachtungsstudie mit dem Namen Pinnacle-Studie beteiligt, die zum Ziel hat, den Verlauf der Krankheit besser bestimmen zu können. «Heute wissen wir vieles noch nicht: etwa, warum einige AMD-Patienten in einem Frühstadium bleiben und andere in ein Spätstadium übergehen. Oder warum bei einigen Patienten im Verlauf der Erkrankung die feuchte Form auftritt», sagt Traber.
Zentrales Element der Pinnacle-Studie ist ein Bildgebungsverfahren mittels einer sogenannten optischen Kohärenztomografie: die Technik ist entfernt vergleichbar mit der Ultraschalluntersuchung, nur dass statt Schall Licht verwendet wird, um die Netzhaut darzustellen. Dies ist das Spezialgebiet von Traber, die sich bereits an der Universitätsaugenklinik in Zürich intensiv mit Bildgebung des Auges und der Sehbahn beschäftigt hat: «Die Schichten der Netzhaut werden hochaufgelöst abgebildet, womit bei der frühen AMD möglicherweise erste krankhafte Prozesse erkennbar werden.»
Die Pinnacle- Studie soll nun einerseits mittels Bildgebung herausfinden, ob bereits im frühen Stadium in der Netzhaut bestimmte Marker erkennbar sind, die Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf zulassen. Anderseits werden mit den Patienten auch genetische Untersuchungen gemacht, um allfällige Anzeichen zu finden. Neben dem IOB in Basel sind weitere Zentren in Europa und den USA an der Studie beteiligt. Gesamthaft werden innerhalb eines Jahres 400 Patienten rekrutiert und über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet.
Langes Warten auf Therapien
An der Augenklinik Basel werden 50 Patientinnen und Patienten in die Studie aufgenommen. Alle müssen älter als 55 Jahre sein und AMD in einem Frühstadium haben. Sobald die Ethikkommission grünes Licht gibt, wird die Rekrutierung der Patienten beginnen. «Wenn man weiss, wo die Erkrankung ihren Ursprung nimmt, liefert dies neue Erkenntnisse für die Forschung und später auch für mögliche Therapien », fasst Traber das Hauptziel zusammen. Doch vorerst macht der Augenarzt Christian Prünte den betroffenen Patientinnen und Patienten keine grossen Hoffnungen. «Ich bin mir sicher, dass es noch sehr lange geht, bis man erste Therapieansätze für eine Heilung der AMD findet.»
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