Was tun gegen die Plastikverschmutzung, Frau Holm?
Text: Patricia Holm
Kunststoffabfälle sind ein weltweites Problem. Eine Umweltwissenschaftlerin und eine Völkerrechtsexpertin über Handlungsoptionen für Privatpersonen und Politik.
Plastik ist allgegenwärtig in unserer Umwelt. Es verschmutzt nicht nur die Meere, sondern auch Felder, Flüsse und selbst die Luft. Plastik in der Umwelt ist unansehnlich und für Tiere gefährlich, wenn sie sich darin verheddern oder es fressen und so oft einen qualvollen Tod erleiden. Kleine Plastikteile, sogenanntes Mikroplastik, ist für Mensch und Umwelt ebenfalls problematisch. Je kleiner die Teile sind, desto schwerer sind sie aus der Umwelt zu entfernen. Sie können von Tieren mit Nahrung verwechselt und aufgenommen werden. Unsere Studien zeigten, dass Plastikpartikel im Nanometerbereich in die Gewebe von Magen und Darm eindringen können und diese schädigen. Um diesem sich in Zukunft noch ausweitenden Problem entgegenzutreten, werden viele Lösungsansätze verfolgt, wie Verbote, Auflagen und Anreize.
Derzeit laufen Verhandlungen zur Umsetzung des globalen Plastikabkommens der UN (s. Beitrag Anna Petrig). Bei meiner Arbeit in der wissenschaftlichen Kommission des Umweltprogramms der UN zu Plastikmüll wurden die Hürden bei der Einigung auf internationale Vereinbarungen sehr ausführlich diskutiert. Nur ein Beispiel sei hier erwähnt: In unseren Ländern setzen wir stark auf Sensibilisierung der Bevölkerung, auf Ausbildung in der Schule und Weitergabe des Wissens im familiären Umkreis. Diese Zugänge werden in manchen Ländern aufgrund ihrer Kulturen und den dadurch verbundenen ausgeprägten Hierarchien in den Familien als nicht zielführend erachtet.
Doch auch wenn wir in der Schweiz bleiben, sehen wir Herausforderungen: Wir verfügen hier über ein gutes Abfallmanagement, Plastikabfälle werden verbrannt oder rezykliert. Und dennoch sind auch wir von der Plastikverschmutzung betroffen, denken wir nur an das Littering. Wie könnte man dem begegnen? Studien zeigen: Dinge, die einen Wert haben, werden nicht zurückgelassen. Schon kleine finanzielle Anreize wie ein Pfandsystem sind erfolgreich bei der Reduktion von Littering. Durch Pfand auf Gefässe, mittlerweile üblich auf Weihnachtsmärkten, können bis zu 95 Prozent Rückgaben erreicht werden. Schwieriger ist ein solches System bei Unterwegsverpflegung umzusetzen. Doch wie wäre es, wenn es gar keine kostenlosen Verpackungen mehr gäbe?
Neben sichtbarem Plastikmüll in unserer Umwelt haben wir zudem gegen viele weitere, wenig auffällige Plastikverschmutzungen zu kämpfen, wie Mikroplastik, das durch Reifenabrieb von Autos freigesetzt wird, oder als kleine Fasern synthetischer Textilien, die beim Waschen frei werden und von den Kläranlagen nur zu einem Teil zurückgehalten werden. Um gegen dieses Mikroplastik anzugehen, sind andere Massnahmen nötig. Es gilt, technische Einrichtungen wie Wasserrückhaltebecken zu verbessern und zur Pflicht zu machen.
Was können wir noch tun? Die fachgerechte Entsorgung oder das Plastikrecycling sind vordringlich. Wo immer das möglich und sinnvoll ist, sollte man auf Plastik verzichten. Viele Alltagsartikel aus Plastik sind einfach zu kostengünstig, sodass Hersteller Plastikverpackungen oft im Übermass verwenden. Würden alle Kosten, die Plastik in der Umwelt verursacht, in den Preis seiner Produktion einbezogen, würde schon der Hersteller auf so manche Plastikverpackung verzichten. Auch viele unserer Kleidungsstücke sind aus Kunststoffen. Die grösste Menge an Fasern wird in den ersten Waschgängen freigesetzt, je öfter ein Kleidungsstück gewaschen wird, desto geringer der Verlust an Fasern. Je länger also Kleider getragen werden, desto geringer ist die Belastung der Umwelt durch synthetische Mikrofasern.
Patricia Holm ist Professorin für Ökologie im Department Umweltwissenschaften und leitet die Forschungsgruppe Mensch-Gesellschaft-Umwelt. Sie hat die Schweiz als Expertin und Delegierte in der wissenschaftlichen beratenden Kommission der UNEP zu «Marine litter and microplastics» vertreten und forscht selber zum Thema Mikroplastik.
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