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Im Fokus: Benjamin Jansen untersucht, wie emotional polarisiert die Schweiz ist

Benjamin Jansen an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
Er erforscht die emotionale Polarisierung in der Schweizer Politik und reist zu wilden Tieren: Benjamin Jansen mag die Abwechslung. (Foto: Universität Basel, Kostas Maros)

Er lebt von der Abwechslung. Während er als Doktorand an der Schnittstelle von Schweizer Wirtschaft, Politik und Gesellschaft forscht, zieht es Benjamin Jansen in seiner Freizeit in ferne Länder, um exotischen Tiere zu begegnen.

25. Juli 2024 | Céline Emch

Benjamin Jansen an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
Er erforscht die emotionale Polarisierung in der Schweizer Politik und reist zu wilden Tieren: Benjamin Jansen mag die Abwechslung. (Foto: Universität Basel, Kostas Maros)

Die meisten Menschen denken bei einem Wirtschaftsstudium sofort an Betriebswirtschaftslehre (BWL). Auch Benjamin Jansen dachte zu Beginn seines Studiums, dass sein Weg ihn schliesslich in die diese Richtung führen und er später in einem Grossunternehmen arbeiten werde. Ein Blick in seine akademische Laufbahn zeigt jedoch, dass sich schon früh ein starkes Interesse an einem anderen, weniger bekannten Bereich entwickelte: der politischen Ökonomie. Sowohl Bachelor- als auch Masterarbeit verfasste er auf diesem Gebiet – nun auch seine Doktorarbeit.

Die politische Ökonomie nutzt wirtschaftstheoretische Modelle, um das Verhalten verschiedenster Akteure im politischen Prozess zu analysieren. Ein Beispiel ist die Untersuchung, inwiefern unterschiedliche Wahlsysteme wie das Majorz- und Proporzsystem das Verhalten von Wählerinnen und Wählern sowie Politikerinnen und Politikern beeinflussen. Auch die Analyse von Faktoren, die Beamtinnen und Beamte produktiver oder korrupter machen, gehört zur politischen Ökonomie. «Wir beschäftigen uns meistens mit grundlegenden, zeitlosen Fragen und das gefällt mir. Ich bin nicht die Person, die perfekt über jedes aktuelle politische Detail informiert ist, sondern interessiere mich vor allem für systematische Zusammenhänge und für gesellschaftliche Entwicklungen», erzählt der 28-Jährige. Diese Neigung wurzelt in einem politisch interessierten Familienumfeld. Was also als lebhafte Diskussion unter Geschwistern begann, entwickelte sich zu einer akademischen Laufbahn.

Zwischen Parteien und Personen

Die erste TV-Debatte des US-Wahlkampfes 2024 zwischen Präsident Joe Biden und Donald Trump war geprägt von harscher Rhetorik und gegenseitigen Anschuldigungen, die weit über sachliche Kritik hinausgingen. Seit Jahren herrscht zwischen den beiden amerikanischen Parteien eine tiefe Feindschaft, die auch in der Bevölkerung spürbar ist. In seinem aktuellen Forschungsprojekt analysiert Benjamin Jansen dieses Phänomen, das in Fachkreisen als affektive Polarisierung bekannt ist, im Kontext der Schweizer Politik.

«Die Schweizer Medien projizieren diese amerikanische Entwicklung zunehmend auf die Schweiz, dabei zeichnen sie oft ein vereinfachtes Bild von einer einheitlichen Polarisierung – die Realität ist jedoch komplexer», erklärt Jansen. Es gibt zum einen die sachliche Polarisierung, die auf Meinungsverschiedenheiten zu spezifischen Themen basiert. Zum anderen existiert die affektive oder emotionale Polarisierung, die über diese sachlichen Differenzen hinausgeht und sich auf der Gefühlsebene manifestiert. In solchen Fällen haben verschiedene Parteien nicht nur unterschiedliche politische Ansichten, sondern empfinden auch starke negative Gefühle gegenüber der jeweils anderen Gruppe. Dadurch verlassen Debatten eher das sachliche Niveau und werden persönlich.

Benjamin Jansen
Benjamin Jansen analysiert das Phänomen der affektiven Polarisierung im Kontext der Schweizer Politik. (Foto: Universität Basel, Kostas Maros)

Entgegen der verbreiteten Annahme, dass diese gefühlsbestimmte Kluft zwischen Schweizerinnen und Schweizern unterschiedlicher politischer Überzeugung wächst, zeigt die Analyse von Jansen und seinem Betreuer Alois Stutzer, dass die emotionale Polarisierung hierzulande über die Zeit stabil geblieben ist. In den Umfragen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG «Wie geht’s, Schweiz?» vergaben stimmberechtigte Personen den verschiedenen Parteien Sympathiewerte von 0 bis 10. «Wenn jemand allen Parteien eine 0 gibt, findet er oder sie zwar alle doof, ist aber nicht polarisiert», führt Jansen aus. «Die genaue Definition von maximaler Polarisierung kann variieren. Im Allgemeinen betrachten wir jedoch eine Person als stark polarisiert, wenn sie einige Parteien sehr positiv und andere sehr negativ bewertet.» Anhand dieser Umfrageergebnisse haben Jansen und Stutzer für jede Person einen Index berechnet, der zeigt, wie polarisiert diese ist.

Da Umfragen oft von Verzerrungen wie beispielsweise einem Hang zu sozial erwünschten Antworten beeinflusst sind, zogen die Forscher Panaschierstatistiken der letzten 40 Jahre hinzu. Diese Daten widerspiegeln nicht unbedingt eins zu eins die Parteisympathien der Wählerschaft, sondern zeigen die tatsächlich offenbarten Wählerpräferenzen vollumfänglich und unverzerrt. In Kombination lässt sich aus der Analyse der beiden Datenquellen ein repräsentatives Bild ableiten.

Denken im Modell, ausprobieren in der Praxis

Auf beruflicher Ebene schätzt Jansen die Ausrichtung auf klare und simple Prognosen, wie sie in der Ökonomie möglich sind, sehr. Sie steht jedoch im Kontrast zu seiner persönlichen Lebensphilosophie: In seinem Privatleben konzentriert er sich lieber auf das Hier und Jetzt, denn das eigene Leben scheint ihm oft zu kompliziert für gute Vorhersagen. «Das heisst nicht, dass ich einfach in den Tag hineinlebe. Ich strukturiere beispielsweise meinen Alltag bewusst in klar voneinander getrennte Blöcke. Zum einen, um mich jeweils auf die anstehende Tätigkeit konzentrieren zu können. Zum anderen, um mich in meiner Freizeit gedanklich von der Arbeit abzugrenzen», meint Jansen. Diese Blöcke bestehen für den Doktoranden momentan grob aus Sport jeweils am Morgen und am Abend und aus der Arbeit an der Universität tagsüber.

Über Cocktails und Kokospalmen

Den Gefallen an der Abwechslung in seinem Leben entwickelte sich während des Studiums, als er nebenbei in einer Bar arbeitete. Er erzählt: «Ich genoss den Kontrast zwischen der Universität und meiner Tätigkeit als Barkeeper. Beides war auf seine Art fordernd, so konnte ich mich jeweils von der anderen Welt erholen.» Sein Flair für Cocktails und fassgelagerte Spirituosen hat er nicht verloren: «Unser Wohnzimmer zuhause sieht aus wie eine American Bar und wenn es irgendwie passt, helfe ich noch immer für ehemalige Bar-Teammitglieder aus.»

Nicht nur bei Rum und Whiskey, sondern auch beim Reisen sucht der Doktorand aus Frenkendorf das Exotische: «Ich mag Kokospalmen lieber als Tannenbäume.» Neben dem Fremdartigen prägt noch sein anderes Faible für die Tierwelt die Auswahl seiner Reiseziele. Ob bei einem Gorilla-Trekking in Uganda, einer klassischen Safari in Südafrika oder einer Jaguar-Tour im brasilianischen Pantanal – Jansen ist fasziniert von Tieren und hält diese gerne fotografisch fest.

Besonders angetan ist er seit seiner Kindheit von Raubkatzen. Sein persönliches Highlight war bis jetzt eine unerwartete Begegnung mit einem Jaguar in freier Wildbahn, auf der Suche zu Fuss nach einem Ameisenbären. Nach der Rückkehr von seinen Reisen richtet Jansen seinen Fokus erneut auf die politisch-ökonomische Landschaft der Schweiz – einzig eine Nahaufnahme eines Jaguars auf seinen Computerdesktop lässt die klare Abgrenzung zwischen diesen beiden Welten etwas verschwimmen.

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