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Die Klitoris, ein Tabu der Anatomie

Darstellung der Klitoris
Darstellung einer Klitoris von Regnier De Graaf, 1672. (Bild: Anatomisches Museum Basel).

Schon vor tausenden von Jahren haben Gelehrte Menschen und Tiere seziert, in der Hoffnung den Körper besser zu verstehen. Seitdem hat sich das Fachgebiet der Anatomie um einiges gewandelt, und doch an Notwendigkeit nicht verloren. Die neue Sonderausstellung des Anatomischen Museums Basel nimmt die Geschichte der Anatomie unter die Lupe, und schlägt einen Bogen ins Jetzt. Denn noch immer werden nahezu unerforschte Gebiete des Körpers neu erschlossen. Zum Beispiel die Klitoris.

10. Oktober 2024 | Olivia Fischer

Darstellung der Klitoris
Darstellung einer Klitoris von Regnier De Graaf, 1672. (Bild: Anatomisches Museum Basel).

Die neue Sonderausstellung «200 Jahre Anatomisches Museum Basel» der gleichnamigen Institution befasst sich mit der Geschichte und der Gegenwart der Anatomie. Professor Dr. Magdalena Müller-Gerbl, welche die Ausstellung konzipiert hat, sagt dazu: «Wir wollen es Besuchenden ermöglichen, durch die Geschichte des Museums zu reisen».

Die Geschichte des Museums hat einiges zu bieten. So findet man vor Ort zum Beispiel das älteste präparierte Skelett der Welt. Oder die berühmte Schrift «Fabrica de humani corporis» von Andreas Vesalius aus dem 16. Jahrhundert, der auch heute noch als Schlüsselfigur der Anatomiegeschichte gilt. Gleichzeitig schlägt die Ausstellung einen Bogen in die Gegenwart, und zeigt den Besuchenden, welche Themen heute in der Anatomie aktuell sind. Das sind unter anderem moderne Präparationstechniken, digitale Visualisierungsmöglichkeiten, oder eben lange von der Fachwelt ignorierte Körperteile wie die Klitoris.

Die Erforschung der Klitoris

Die Klitoris, eigentlich Bulboklitoralorgan, ist ein Körperteil, welches etwa die Hälfte der Menschheit besitzt. Trotz dieses breiten Vorkommens ist das Organ bis heute schlecht erforscht, und die genaue anatomische Zusammensetzung teilweise noch nicht ganz geklärt. Dies, obwohl die Klitoris schon im 17. Jahrhundert Untersuchungsgegenstand anatomischer Forschungen war. Der niederländische Gynäkologe Regnier De Graaf veröffentlichte bereits 1672 eine erstaunlich detaillierte Darstellung des Bulboklitoralorganes. Seine Forschung war zukunftsweisend. Er entdeckte nicht nur die Eierstockfollikel, sondern beschrieb auch die weibliche Prostata und die weibliche Ejakulation.

Nun ist es fast 350 Jahre her, seit De Graaf die Klitoris erforschte. Und trotzdem kennen viele Fachpersonen die genaue Anatomie des Organes noch immer nicht. «Das liegt daran, dass es ein Tabuthema ist», sagt Prof. Dr. Daniel Haag-Wackernagel, welcher die Ausstellung mit konzipierte, und die weibliche Sexualität erforscht. Anfangs des 20. Jahrhundert sei die Klitoris aufgrund von gesellschaftlichen Einflüssen tabuisiert, und aus Lehrbücher gestrichen worden. Eine Zensur, die bis heute Auswirkungen hat.

Realistische 3D-Modelle eröffnen neue Einblicke

Im anatomischen Museum wird die Klitoris nun gezeigt. Illustrationen aus der historischen Bibliothek des Museums zeigen auf, wie das Organ durch die Jahrhunderte wahrgenommen wurde. Gleichzeitig fördern aktuelle und realistische 3D-Modelle das Verständnis für die Anatomie der Klitoris.

Eines der ausgestellten Exponate ist ein auf MRT-Aufnahmen beruhendes 3D-Modell der Universität Genf, welches ein beschnittenes und ein unbeschnittenes Klitorisorgan im Vergleich zeigt. Auch befindet sich unter den Exponaten das Präparat einer menschlichen Klitoris, und ein interaktiver Teil der Ausstellung lädt sogar dazu ein, ein Klitorismodell in die Hand zu nehmen, und es selbst zusammen zu bauen. Die Exponate machen klar: An Notwendigkeit hat die Anatomie noch nicht verloren.

200 Jahre Anatomisches Museum Basel

Sonderausstellung des Anatomischen Museum der Universität Basel, Pestalozzistrasse 20, 4056 Basel. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 14–17 Uhr; Sonntag 10–16 Uhr. Gruppenführungen und Workshops auf Anfrage.

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