Studierende stellen Nachhaltigkeit in drei Eucor-Städten auf den Prüfstand
Wie stehen die Städte Basel, Freiburg im Breisgau und Strassburg punkto Nachhaltigkeit da? Dies war die Ausgangsfrage des Blockseminars «Sustainable Eucor Cities? Exploring Your City Through the Lens of the Sustainable Development Goals. Mapping – Analysis – Action», das an den Universitäten der drei Eucor-Städte stattfand.
31. Oktober 2024 | Samanta Siegfried
Normalerweise sind es die Dozierenden, die in einer Lehrveranstaltung vorgeben, wie die zentrale Forschungsfrage untersucht werden soll. Doch die Seminarleitenden Dr. Marc Frick und Fabia Willi wählten einen anderen Ansatz: Sie übergaben das Zepter den Studierenden. Die Aufgabe der rund zwanzig Teilnehmenden war es, Rundgänge zu entwickeln, die aufzeigen, inwiefern ihre Stadt um Nachhaltigkeit bemüht ist. «Schliesslich kennen die Studierenden die Lebensrealitäten vor Ort am besten und können wertvolle Expertise liefern», sagt Dozent Marc Frick. Als Orientierung dienten die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs), die die Studierenden auf ihre eigene Stadt anwenden sollten.
Vorgaben gab es nur wenige. Etwa, dass die sogenannten SDG-Walks neben den Missständen auch Handlungsmöglichkeiten für die Bevölkerung aufzeigen sollen und welche überregionale Bedeutung die ausgewählten Schwerpunkte haben. Darüber hinaus war dem Einfallsreichtum der Studierenden keine Grenzen gesetzt, ob hybrid, interaktiv, mit dem Velo oder zu Fuss.
Der Rhein als roter Faden
Eine Gruppe aus Basel entschied sich für eine theatralische Stadtführung. Dabei spielen die Studierenden zwei Tourguides und einen UN-Experten, die durch die Rheinmetropole führen, während eine Person die Rolle der «kritischen Stimme» einnimmt – eine Teilnehmerin, die die Aussagen der Guides immer wieder hinterfragt.
Mit dabei waren die Studentinnen Gianna Raineri und Fritzi König. «Wir entschieden uns, den Rhein als roten Faden für die Tour zu nehmen», erzählen sie. «Neben historisch wichtigen Stationen wollten wir auch eine touristisch ansprechende Führung gestalten.» Startpunkt war jedoch nicht der Rhein, sondern das Basler Münster. Dort weisen die Skulpturen der Schweizer Bildhauerin Bettina Eichin auf den Grossbrand von Schweizerhalle hin, bei dem 1986 Schadstoffe in den Rhein gelangten und einen Grossteil der Fische tötete.
Anschliessend folgten sie dem Rhein flussabwärts über die Mittlere Brücke, weiter in Richtung Kaserne und Erasmusplatz. «Verbindungen zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung liessen sich fast überall knüpfen», sagen Gianna Raineri und Fritzi König. Von der Helvetia-Skulptur über Car- und Velosharing-Möglichkeiten, bis hin zu lokalen Initiativen wie dem Unverpackt-Laden oder einer Müllsammel-Aktion im Rhein wurden Zusammenhänge mit und zwischen den Zielen aufgezeigt. Darunter SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur oder SDG 10: weniger Ungleichheiten.
«Ich war erstaunt, dass alle Teilnehmenden die Nachhaltigkeit mit sozialen Fragen verknüpften», sagt Seminarleiter Frick. «Sie fragten sich: Wie kann ich erreichen, dass sich ein Quartier vor Ort sowohl ökologisch als auch sozial und ökonomisch nachhaltig entwickelt?»
Die verschiedenen SDG-Walks haben auch deutlich gemacht, wo sich die Nachhaltigkeitsherausforderungen in den Städten am Oberrhein ähneln oder unterscheiden. So war das SDG 6 zur Verbesserung der Wasserqualität in allen drei Städten aufgrund ihrer Lage an Flüssen ein wichtiges Thema. Da das Seminar hybrid stattfand, hatten die Studierenden Einblick in die Perspektive der Kommilitoninnen und Kommilitonen aus den anderen Städten. So konnte man die lokalen Beobachtungen vergleichen. Welche Strategien funktionieren sowohl regional als auch überregional? «Studierende berichteten beispielsweise von lokalen Experimenten, bei denen der Müll auf den Strassen deutlich reduziert werden konnte, indem die Abfalleimer künstlerisch gestaltet wurden», sagt Studienleiter Frick.
App in Vorbereitung
Die Stadtrundgänge, die in Basel bisher zweimal stattfanden, sollen über das Projekt hinaus Bestand haben: Als nächsten Schritt werden sie digitalisiert, sodass sie mit einer App für alle Interessierten nutzbar sind.
Das Blockseminar in Basel war nur der Anfang. Ziel nach dem Pilotprojekt ist es nun, alle fünf Eucor-Städte und möglichst viele EPICUR-Städte abzudecken. Im Juli gab es bereits ein Folgeprojekt am Karlsruher Institut für Technologie. Und im November ist ein Projekt in Mulhouse geplant, bei dem Studierende der anderen Städte einen Workshop in Mulhouse durchführen. «Sie sind jetzt die Expertinnen und Experten», sagt Frick. Ein nächster Workshop findet im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche im März 2025 in Basel statt, zu dem möglichst viele Studierenden der EPCIUR-Universitäten nach Basel geholt werden, etwa aus Poznań, Wien oder Odense.
«Die Ausgangsfrage ist immer die gleiche», sagt Marc Frick: «Was können wir von lokalem Engagement lernen, dass auch auf andere Regionen übertragbar ist?» Die Antworten geben auch in den Folgeprojekten die Studierenden, sie seien die Gestaltungspartnerinnen und ‑partner in diesem Projekt. «Es ist eine tolle Erfahrung zu sehen, wie viel man über Nachhaltigkeit in Städte lernen kann, wenn man das lokale Wissen der Studierenden nutzt.»
Eucor und EPICUR
Der Blockkurs Sustainable Cities? Exploring Your City Through the Lens of the Sustainable Development Goals. Mapping – Analysis – Action gehört zur Eucor & EPICUR Initiative der Universität Basel und wurde von Movetia, der Schweizer Agentur für Mobilität und Austausch sowie dem Förderprogramm Impuls der Universität Basel unterstützt. Movetia wird vom Bund finanziert.
Eucor – The European Campus ist ein trinationaler Verbund von fünf Universitäten in der Metropolregion Oberrhein. Eucor ermöglicht es den Studierenden, frei aus dem gesamten Kursangebot der fünf Mitgliedsuniversitäten zu wählen.
EPICUR ist ein Verbund von neun Universitäten in sieben Ländern Europas. Die Universität Basel ist über Eucor assoziiertes Mitglied an EPICUR. Dies ermöglicht es den Studierenden der Universität Basel, an einer exklusiven Auswahl an innovativen Lehrveranstaltungen teilzunehmen.