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Im Fokus: Helena Greter untersucht Parasiten in Schnecken, Nutztieren und Menschen in der Sahelzone – und bindet die Bevölkerung in Interventionen ein

Helena Greter im Swiss TPH
Die Epidemiologin Helena Greter sucht in der Sahelzone nach Ansätzen, wie die Menschen und Tiere am Tschadsee einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. (Foto: Universität Basel, Kostas Maros)

Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt steht in einer Wechselwirkung; davon geht das Konzept One Health aus. Mit diesem Ansatz forscht die Epidemiologin Helena Greter im Tschad. Das Ziel: den dort lebenden Nomaden und ihren Rinderherden Zugang zu medizinischer Versorgung verschaffen. Zur Biologie – und schliesslich zur Epidemiologie - kam die Wissenschaftlerin über die Kunst.

30. Juli 2024 | Noëmi Kern

Helena Greter im Swiss TPH
Die Epidemiologin Helena Greter sucht in der Sahelzone nach Ansätzen, wie die Menschen und Tiere am Tschadsee einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. (Foto: Universität Basel, Kostas Maros)

Eine intensive Zeit liegt hinter Helena Greter. Die Epidemiologin am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) war gerade für zehn Tage im Tschad, um zur Halbzeit ihres zweijährigen Forschungsprojekts eine erste Bilanz zu ziehen.

Sie widmet sich darin der Gesundheit von Menschen und Tieren in der Sahelzone und verfolgt dabei den Ansatz von One Health: Er geht davon aus, dass gesunde Menschen und eine gesunde Umwelt sich gegenseitig bedingen. «Das faszinierte mich von Anfang an sehr», sagt die 51-Jährige.

Die lokalen Umstände im Blick

Im Fokus ihrer Forschung im Tschad steht die Bevölkerung am Tschadsee, darunter Nomaden und ihre Tiere genauso wie Dorfbewohnerinnen. Das Wasser des Sees ist fundamental für das alltägliche Leben und wird für Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und auch als Trinkwasser genutzt. Doch über Wasserkontakt können Parasiten übertragen werden, die Menschen und Tiere krankmachen. Bei den Menschen löst der Pärchen- oder Schistosoma-Egel eine Infektion im Darm- oder Urintrakt aus, die Bilharziose. Sie zählt zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten (neglected tropical diseases, NTD) und kann unbehandelt tödlich enden. Tiere werden ebenfalls von Schistosoma-Egeln und zusätzlich von Fasciola-Leberegeln befallen. Die Infektionen lassen die Tiere abmagern, Milchmenge und Fruchtbarkeit nehmen ab. Die Tiere sind die Lebensgrundlage der Menschen. Werden sie krank, ist das verheerend.  

Porträt Helena Greter
Helena Greters Weg in die Epidemiologie führte über das Töpferhandwerk und die Faszination für Bewegung. (Foto: Universität Basel, Kostas Maros)

Zwar gibt es wirksame Medikamente gegen das Leiden, doch meist sind diese für die Betroffenen nicht erhältlich. Zudem ist die korrekte Anwendung von Medikamenten eine Herausforderung, denn oft werden sie auf Märkten verkauft, ohne sachkundige Beratung. Das führe zum Beispiel dazu, dass die Wirkstoffe nicht richtig dosiert werden.

Deshalb sucht Helena Greter nach Ansätzen, wie die Bevölkerungsgruppen am Tschadsee und ihre Tiere einen besseren Zugang zur grundlegenden Gesundheitsversorgung erhalten. «Das Gesundheitssystem im Tschad ist statisch, während diese Bevölkerungsgruppen hochmobil sind», erklärt sie.

Um das Bewusstsein dafür zu erhöhen, braucht es den Dialog mit den Gesundheitsbehörden und weiteren Organisationen vor Ort. Die Projektentwicklung geschieht deshalb partizipativ und auch die Umsetzung erfolgt wo immer möglich gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung. So wissen die Forschenden einerseits besser über die unterschiedlichen Aktivitäten auf dem Gebiet Bescheid und können daraus mögliche Interventionen ableiten, die zum Kontext passen. Andererseits ist die Akzeptanz für diese Interventionen grösser, wenn die Betroffenen von Anfang an eingebunden sind. Weil die Problemstellungen so vielfältig sind, ist das Forschungsteam interdisziplinär aufgestellt: Beteiligt sind unter anderem auch Veterinär- und Humanmedizinerinnen, Biologen, Sozialwissenschaftlerinnen und Medizinanthropologen.

Mit dem Smartphone den Schnecken auf der Spur

Über die Hintergründe des aktuellen Projekts sagt Helena Greter: «Wir wissen inzwischen viel über die Epidemiologie der Pärchen- und Leberegel in ihren Endwirten, den Menschen und Tieren. Was uns noch fehlt, ist das Verständnis über die Entwicklung der Parasiten in ihren Zwischenwirten, den Wasserschnecken.» Unklar ist bislang, welche Schneckenarten am Tschadsee verbreitet sind, und wie sich ihre Population im Lauf der Jahreszeiten entwickeln.

Um dem auf den Grund zu gehen, haben die Forschenden ein Citizen-Science-Projekt ins Leben gerufen: die Teilnehmenden suchen, zählen und fotografieren einmal wöchentlich an den Wasserstellen ihres Dorfes Schnecken – ein Jahr lang. Die Forschenden um Helena Greter erhoffen sich durch diese Daten ein besseres Verständnis der biologischen und ökologischen Faktoren, um daraus mögliche Massnahmen zur Schneckenkontrolle abzuleiten.

Mann im Tschad bei der Schneckensuche
Die lokale Bevölkerung hilft bei der Datenerhebung zu den Schnecken. Sie einzubeziehen hat viele Vorteile. (Foto: Jacob Mbaihondoum)

Die Vorteile bei Citizen-Science-Netzwerken wie diesem sind zahlreich. Die Menschen sind die ganze Zeit vor Ort und können genau beobachten, was passiert. Gleichzeitig fungieren sie als Multiplikatoren, indem sie in ihrer Gemeinschaft über ihre Tätigkeit und die Überlegungen dahinter berichten. «Das sorgt für mehr Verständnis und das ist wiederum wichtig, wenn eine Intervention gelingen soll», betont Helena Greter.

Im ersten halben Jahr seien so schon viele Daten zusammengekommen. «Die Beteiligten sind sehr engagiert. Sie machen viele Beobachtungen und wir tauschen uns regelmässig mit ihnen aus, um erste Einblicke in die Daten unsererseits, und Erfahrungen aus dem Gebiet ihrerseits auszutauschen», so die Forscherin.

Über den Tanz zur Biologie

Die Karriere als Wissenschaftlerin nahm Helena Greter erst spät in Angriff. «Ursprünglich wollte ich Primarlehrerin werden, merkte aber nach einem Jahr Ausbildung, dass das nichts für mich ist», sagt sie. Sie entschied sich für eine Lehre als Töpferin, später studierte sie bildende Kunst. «Ich habe das Flair für Kunst und Handwerk gewissermassen in die Wiege gelegt bekommen: Meine Mutter ist Künstlerin, mein Vater Maler», erzählt sie. Sie lebte ein Jahr in Japan, wo das Töpferhandwerk eine lange Tradition hat, und begann dort, sich mit Bewegung und Tanz zu befassen. «So kam ich schliesslich zur Biologie: Es faszinierte mich, wie Lebewesen, die im Grundsatz den gleichen Bauplan haben, sich so unterschiedlich bewegen», sagt sie.

Mit dreissig und ohne Matura konnte sie dank des Programms «Trente plus» der Universität Fribourg einen Bachelor in Biologie absolvieren und an der Universität Bern einen Master in Ecology and Evolution anhängen. Sie doktorierte an der Universität Basel bei Jakob Zinsstag, Pionier im Bereich One Health. Seit 2017 arbeitet sie am Swiss TPH am Swiss Centre for International Health, wo sie neben ihren Forschungsprojekten auch internationale Beratungsmandate zu sauberem Trinkwasser und Hygiene (WASH), NTDs, One Health und verwandten Themen leitet.

Im Tschad war Helena Greter erstmals im Jahr 2010 – zusammen mit Jakob Zinsstag. Das Leben der Nomaden beeindruckte sie von Anfang an. Es entspricht ihrer Neugier, verschiedene Kulturen und deren Lebensrealitäten kennenzulernen. Sie ist überzeugt davon, dass die unterschiedlichen Hintergründe und die Diversität der Menschen die Forschung voranbringen. Gerne würde sie sich zum Beispiel für mehr internationalen Austausch einsetzen: «In Ostafrika und im Indischen Ozean ist das Konzept von One Health schon viel verbreiteter als im Tschad oder der Schweiz. Die Erfahrungen dort könnten auch uns voranbringen bei der Umsetzung.»

Im Fokus: die Sommerserie der Universität Basel

Das Format Im Fokus rückt junge Forschende in den Mittelpunkt, die zum internationalen Renommee der Universität beitragen. In den kommenden Wochen stellen wir Akademiker*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor, die stellvertretend für die über 3000 Doktorierenden und Postdocs der Universität Basel stehen.

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