Eine Pflanzensammlung als Lebenswerk
Caspar Bauhin war wohl der bekannteste Botaniker seiner Zeit. Der Basler Professor sammelte Pflanzen aus aller Welt und setzte neue Massstäbe für die Botanik, die bis heute nachwirken. Das Departement Umweltwissenschaften, die Universitätsbibliothek Basel und die Basler Botanische Gesellschaft widmen ihm eine Ausstellung.
19. September 2024 | Noëmi Kern
Primula veris, Bellis pratensis minor, Consolida minor officinarum und Bellis sylvestris minor: Das sind einige von insgesamt 19 Bezeichnungen für die gleiche Pflanze – das Gänseblümchen, heute bekannt als Bellis perennis L. ansprechen. Zusammengetragen und in seinen Publikationen und seinem Herbarium aufgelistet hat sie Caspar Bauhin (1560–1624). Der Mediziner und Botaniker war ab 1589 Professor für anatomische Medizin und Botanik an der Universität Basel.
Sein Ziel: möglichst alle bekannten Pflanzenarten beschreiben, benennen und nach Ähnlichkeiten zu ordnen. Dafür sammelte er Pflanzenmaterial aus aller Welt und kam bei diesem Unterfangen erstaunlich weit. In seinem wichtigsten Werk, dem Pinax Theatri Botanici aus dem Jahr 1623 sind 5640 der damals bekannten Pflanzen aufgeführt, von denen er ungefähr zwei Drittel in seinem Herbar versammelt hatte.
Um an Belege zu kommen, unterhielt Bauhin ein Netzwerk von Korrespondenten, das sich über ganz Europa und von Nordamerika bis nach China erstreckte. Es umfasste Politiker, Ärzte, Apotheker und Botaniker sowie ehemalige Studenten. Sie schickten Bauhin Pflanzenteile und Samen sowie die ihnen geläufige Bezeichnung dafür. «Beschreibungen oder Zeichnungen genügten Bauhin nicht. Er wollte die Pflanze sehen, um sie einwandfrei bestimmen zu können», sagt Jürg Stöcklin, emeritierter Biologieprofessor und Botaniker an der Universität Basel. Die verschiedenen Bezeichnungen führte Bauhin als Synonyme auf, inklusive Quellenangabe.
Damit setzte er der damaligen Sprachverwirrung in der Benennung von Pflanzen ein Ende. Zudem war Caspar Bauhin einer der Ersten, der alle Arten nach ihrer Ähnlichkeit in Gattungen gruppierte statt in alphabetischer Reihenfolge. Mit seiner Arbeit setzte er neue Massstäbe für die Botanik, auf denen spätere Botaniker wie Carl von Linné jahrhundertelang aufbauen konnten.
Moderner Wissenschaftler
Sein Herbarium wurde zum eigentlichen wissenschaftlichen Arbeitsinstrument Caspar Bauhins. Es umfasste ursprünglich etwa 4000 Bogen, ungefähr 2500 sind bis heute überliefert und enthalten ungefähr 3500 Belege. Etliche davon stammen aus Übersee – oft mit «Zwischenhalt» in einem anderen botanischen Garten – darunter auch der älteste erhaltene Beleg der Kartoffel in Europa. Bauhin kultivierte die Pflanze in seinem Garten und beschrieb unter anderem, wie man sie überwintern kann. Auch zog er Tomaten und Kaktusfeigen auf. «Obschon er Mediziner war, interessierte sich Bauhin nicht nur für die Heilwirkung von Pflanzen, sondern ganz allgemein dafür, wie viele und welche Pflanzen es gibt und wie man sie unterscheiden und ordnen kann», sagt Jürg Stöcklin.
Die Ausstellung zeigt die grössten Schätze des Herbars im Original sowie rund 400 Reproduktionen der Herbarbelege und zeichnet Leben und Wirken Caspar Bauhins nach. Er sei ein moderner Wissenschaftler gewesen, der empirisch und akribisch arbeitete und ein grosses internationales Netzwerk hatte. «Der Austausch von Belegen funktioniert heute teilweise gleich wie damals, aber die Digitalisierung hat vielen vereinfacht», erklärt Dr. Jurriaan de Vos, Botaniker und leitender Kurator an der Universität Basel. Er hat die Ausstellung gemeinsam mit Jürg Stöcklin kuratiert.
Weltweit gibt es ungefähr 3500 Herbarien mit insgesamt etwa 400 Millionen Belegen, nur ein kleiner Teil stammt aus der Zeit von Bauhin oder davor. Von diesen uralten Belegen sind jedoch zirka 30 Prozent von Caspar Bauhin.
Wissen, was vor der Haustüre wächst
Die unbekannten Pflanzen, die die Seefahrer aus der Neuen Welt nach Europa brachten, weckte aber auch ein verstärktes Interesse an der einheimischen Flora –den Forschern wurde bewusst, dass die Vielfalt viel grösser ist, als bisher bekannt.
Ein Nebenprodukt aus Caspar Bauhins Lehrtätigkeit ist sein Catalogus Plantarum circa Basileam, eine Lokalflora der Region Basel, die er für seine Studierenden angelegt hat. Er ermutigte seine Studenten zu Ausflügen in die Natur und führte selber Exkursionen durch. «Bauhin lieferte eine Bestandesaufnahme der Pflanzenwelt zu seinen Lebzeiten. Diese in der Zeit verankerten Daten helfen uns heute, den Florenwandel zu verstehen», so Jurriaan de Vos. Denn laufend verschwinden in einer Region bestimmte Pflanzen und es kommen andere hinzu, sogenannte Neophyten.
«Nur wenn man den Bestand kennt, lassen sich auch Veränderungen feststellen. Der Mensch ist abhängig von Pflanzen als Lebensmittel, Baumaterial, Heilmittel. Auch Papier und Kleidung bestehen aus Pflanzenfasern. Und nicht zuletzt sind sie wichtig fürs Klima.», sagt Jurriaan de Vos.
Basis für die heutige Forschung
Das Interesse an Botanik ist auch heute noch gross: «Der Masterstudiengang in Pflanzenwissenschaften an der Universität Basel ist beliebt. Für Nachwuchs ist also gesorgt», sagt de Vos. Dank Digitalisierung und neuer Techniken erleben Herbarien derzeit eine wahre Renaissance. Sie bilden die Basis für globale Datenbanken, die es erlauben, viele Tausende Belege gleichzeitig zu analysieren. Und mit den modernen technischen Möglichkeiten lassen sich die DNA und Isotopen der alten Belege analysieren. So lässt sich zum Beispiel feststellen, ob historische Tomaten anders schmeckten als die heute verbreiteten.
Die ganze Welt in einem Herbarium. Jubiläumsausstellung zum 400. Todestag von Caspar Bauhin
Vernissage am 19. September 2024 um 18.00 Uhr in der UB Hauptbibliothek, Vortragssaal (1. Stock). Grusswort von Prof. Dr. Primo Schär, Vizerektor Forschung der Universität Basel, und Einführung durch die Kuratoren Prof. em. Dr. Jürg Stöcklin und Dr. Jurriaan M. de Vos.
Die Ausstellung dauert vom 20. September 2024 bis 8. Januar 2025. UB Hauptbibliothek, Ausstellungsraum (1. Stock), Schönbeinstrasse 18–20, Basel. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 8 bis 20 Uhr, Samstag 10 bis 19.30 Uhr; der Eintritt ist frei.