Das Einmaleins des Programmierens.
Text: Samanta Siegfried
Seit bald zehn Jahren können Basler Schülerinnen und Schüler bereits in der Primarschule lernen, wie man Software schreibt. Möglich macht es das Projekt PrimaLogo, das gleichzeitig auch eine Weiterbildung für Lehrpersonen ist.
«Repeat 4, eckige Klammer auf, fd 100 rt 90 fd 100 rt 90», tippt eine Schülerin mit rosa Kapuzenpulli in die Tasten ihres Laptops. Nach ein paar weiteren Kombinationen schliesst sie die Klammer und drückt die Eingabetaste. Auf dem Bildschirm zeichnet ein kleiner Schmetterling vier aneinandergereihte Quadrate. «Ich hab’s geschafft», freut sich das Mädchen mit breitem Grinsen.
Die Klasse 5b der Brunnmatt-Schule in Basel lernt an diesem Freitagmorgen im September, wie man einen Computer dazu bringt, Muster zu wiederholen. Für die Schülerinnen und Schüler ist es die dritte Doppelstunde im Rahmen des Projekts PrimaLogo der Universität Basel.
PrimaLogo verfolgt seit 2015 das Ziel, bereits Primarschülerinnen und -schülern das Programmieren beizubringen. Während zehn Wochen besuchen Informatik-Studentinnen oder manchmal -Alumni der Universität Basel Schulen in Basel-Stadt und Baselland und führen die 5. und 6. Klasse durch den Unterricht.
Choreografie für das Maskottchen.
Diesmal stehen Rebecca Dold und ihr Assistent Till Küng vor den Schülerinnen und Schülern. «Ihr könnt euch vorstellen, dass wir wie in einem Kochrezept immer gleich vorgehen. In der Mathematik und Informatik nennt man das Algorithmus», sagt Dold und malt Muster an die Wandtafel: Eine Treppe und Quadrate, die in unterschiedlichen Richtungen aneinandergereiht sind. Die Kinder versuchen selbstständig, diese Muster auf ihren Laptops zu programmieren.
Sie verwenden dafür «Logo», eine speziell für Kinder entwickelte Programmiersprache. Dabei «füttert» man ein Maskottchen, etwa einen Schmetterling, eine Schildkröte oder einen Gecko, mit Befehlen, damit sie auf dem Bildschirm das entsprechende Muster zeichnen. Immer wieder zeichnen die Kinder mit ihren Fingern durch die Luft, bevor sie die Tasten drücken. Während sie arbeiten, laufen Dold und Küng durch die Reihen und helfen bei Fragen.
Blick in die Blackbox.
«Logo ist sehr spielerisch aufgebaut und gibt direkte Erfolgserlebnisse», sagt Nadine Fröhlich, die das Projekt für die Universität Basel koordiniert. Seit Beginn hat PrimaLogo in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland bereits über 300 Schulklassen, 260 Lehrpersonen und damit mehr als 6000 Kinder erreicht.
Fröhlich, die selbst Informatik studiert und an der Universität Basel promoviert hat, ist vom Wert dieses frühen Kontakts mit dem Programmieren überzeugt: «Vieles von dem, was uns im Alltag umgibt, ist programmiert», sagt sie. Autos, Uhren, Handys, Informationstafeln. Für die Gesellschaft sei es relevant, hinter die Fassade zu sehen, «damit es keine Blackbox bleibt».
Ausserdem würden die Kinder beim Programmieren verschiedene wichtige Fähigkeiten trainieren, zum Beispiel Genauigkeit und Geduld. Aber auch, wie man ein Problem erkennt und Schritt für Schritt lösen kann.
Zwar ist das Modul «Medien und Informatik» ein Bestandteil des Lehrplans. Doch viele Lehrpersonen hätten Berührungsängste mit dem Thema, deswegen sei PrimaLogo auch eine Weiterbildung für die Lehrerinnen und Lehrer. «Indem Studierende den Unterricht leiten, werden gleichzeitig die Lehrpersonen geschult und bekommen Einblick in die mögliche Vermittlung der Inhalte», sagt Fröhlich. Ausserdem erhalten sie vor Projektbeginn einen knapp vierstündigen Crash-Kurs, in dem sie selbst die Grundlagen erlernen.
Auch Rhea Schenker, die Lehrerin der Klasse 5B, kam durch PrimaLogo zum ersten Mal vertieft mit Informatik in Kontakt. «Als ich im Jahr 2012 die Pädagogische Hochschule abschloss, war das Fach, anders als heute, noch kein Bestandteil des Studiums.»
Mittlerweile konnte sie bereits mehrere Klassen durch das PrimaLogo-Projekt begleiten und lasse nach Projektende die Inhalte in ihren Medien- und Informatikunterricht einfliessen. «Die Motivation bei den Kindern ist meist sehr hoch», beobachtet Schenker.
Das zeigt sich auch in dieser Doppelstunde. «Mir gefällt, dass die Tiere immer das machen, was ich will», sagt ein Schüler. «Wenn man es richtig gemacht hat», fügt seine Sitznachbarin hinzu. «Du musst dich einfach konzentrieren, sonst hast du keine Chance!»
Die Frauen holen auf.
Rebecca Dold, die bereits seit sieben Jahren zum PrimaLogo-Team gehört, sagt: «Es gibt immer wieder Kinder, die in Mathematik Mühe haben, beim Programmieren aber brillieren.» Das habe auch damit zu tun, dass sie an das Programmieren offen herangingen und noch keine guten oder schlechten Erfahrungen damit machen konnten.
Einen Unterschied bei den Geschlechtern stellt Dold nicht fest: Schülerinnen und Schüler seien gleichermassen interessiert und erfolgreich beim Erlernen der Programmiersprache. Für Projektleiterin Fröhlich ein wichtiger Punkt: «Fängt man zu spät mit dem Programmieren an, hat das oft zur Folge, dass sich nur noch Jungs dafür begeistern.»
Als Fröhlich studierte, waren auf Bachelorstufe nur acht von 100 Studierenden weiblich. Heute ist das Geschlechterverhältnis im Studium zwar ein bisschen ausgeglichener (auf Bachelorstufe 45 Frauen und 172 Männer), es gibt aber weiterhin viel Luft nach oben. «Auch dazu kann PrimaLogo beitragen», sagt die Projektleiterin.
Als es zur Mittagspause läutet, hat die Konzentration bei den Kindern dann doch etwas nachgelassen und es dauert eine Weile, bis alle Laptops und Hefte eingesammelt sind. Rebecca Dold und Till Küng verabschieden sich bis zur nächsten Woche, wenn sie mit Schmetterling, Schildkröte und Co. wieder neue Formen zeichnen werden.
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