Rätselhaftes Mikroplastik.
Text: Angelika Jacobs
Könnte der Rhein mehr Mikroplastik enthalten als bisher angenommen? Ein Projekt der Forschungsgruppe Mensch-Gesellschaft-Umwelt soll Aufschluss geben.
Kunststoffpartikel haben auch die letzten Winkel der Erde erreicht. Der Rhein bei Basel bildet keine Ausnahme: Seit Jahren untersuchen hier Forschende um Patricia Holm, Professorin für Ökologie, die Verunreinigung mit Mikroplastik. Womöglich hat aber eine der bisherigen Methoden, um Proben zu nehmen, bestimmte Partikel «übersehen».
Umweltwissenschaftler Sebastian Rieder vergleicht deshalb zwei Verfahren, Mikroplastik zu isolieren. Das Ziel wäre eine Methode, mit welcher ein längerfristiges Monitoring des Rheins möglich ist.
Bisher nutzten die Forschenden Zentrifugen, um Sediment und das darin enthaltene Mikroplastik aus dem Rheinwasser zu isolieren. Auch Rieder wendet diese Methode an. Zusätzlich lässt er zum Vergleich Flusswasser durch Siebe und einen Sedimentierungskasten fliessen. Die Fliessgeschwindigkeit wird dabei stark verlangsamt, sodass sich alle Schwebeteilchen absetzen.
Das so aufgefangene Sediment ebenso wie die Probe aus der Zentrifuge transportiert der Forscher sicher in Kisten verpackt ins Labor der Forschungsgruppe Mensch-Gesellschaft-Umwelt.
Zunächst trocknet Sebastian Rieder die Proben im Trockenschrank (linkes Bild). Um das Mikroplastik aus der Probe zu isolieren, führt Rieder eine Dichtetrennung durch (rechtes Bild): Er versetzt die Proben mit Natriumbromid und Wasser, wodurch sich organisches Material und Mikroplastik vom Sediment und anderen nicht-organischen Schwebeteilchen absondern.
Nach einer Standzeit von einem Tag hat sich das Material an der Oberfläche gesammelt (linkes Bild). Es wird dann mit zusätzlichem Natriumbromid und Wasser über den Rand der Flasche gespült, um es so zu isolieren (rechtes Bild). Danach entfernt Rieder das meiste organische Material mit der sogenannten Fenton-Reaktion, bei der es zu CO2 veratmet wird.
Auf Filterscheiben getrocknet, lagert Rieder die Proben bis zur Analyse in einem Schrank unter stabilen Bedingungen.
Die Filterscheiben platziert der Forscher unter einem Infrarotmikroskop (Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer). Per Auge markiert er Partikel, die Mikroplastik sein könnten (linkes Bild). Das Mikroskop misst anschliessend die Spektren der markierten Bereiche auf dem Filter (rechtes Bild) im Infrarotstrahl. Diese Spektren werden mittels Software mit einer Datenbank verglichen und berechnet, ob es sich um Plastik handeln könnte und, falls Ja, um welchen Kunststoff.
Der Forscher prüft danach alle Spektren, die wahrscheinlich Mikroplastik sind, bei denen die Software aber keine perfekte Übereinstimmung zur Datenbank feststellen konnte. Nach erstem Augenschein könnte die Mikroplastik-Verschmutzung im Rhein bisher unterschätzt worden sein: Die Proben aus dem Sedimentierungskasten enthalten höchstwahrscheinlich auch grössere Mikroplastik-Partikel von über 500 Mikrometern, die in den Zentrifugenproben fehlen. Detaillierte Analysen werden folgen.
Sebastian Rieder ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programm Mensch-Gesellschaft-Umwelt am Departement Umweltwissenschaften.
Patricia Holm ist Professorin für Ökologie an der Universität Basel. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Mikroplastik und invasive Arten.
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